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Das Mädchen mit dem zweiten Gesicht

Das Mädchen mit dem zweiten Gesicht

Titel: Das Mädchen mit dem zweiten Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Random House
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geblieben war.
    Madeleine lächelte. »Er braucht nicht wirklich meine Hilfe«, widersprach sie.
    Colignys Gemahlin blickte sie nachdenklich an. »Woher kennt Ihr Euch eigentlich mit diesen Dingen aus, Mademoiselle?«, frag te sie dann.
    »Aus dem Kloster«, antwortete Madeleine. »Ich habe dort bei der Zubereitung von Heilkräutern und Medizin und manchmal auch bei der Versorgung der Kranken geholfen.«
    Charlotte de Laval wirkte leicht erstaunt. »Wirklich? Nun, wir könnten hier natürlich gut eine helfende Hand gebrauchen, wie Ihr vielleicht schon bemerkt habt«, sagte sie zögernd. »Es gibt einige Verwundete, und Kranke haben wir sowieso immer auf so einem großen Schloss. Aber eigentlich seid Ihr Gast hier, Mademoiselle«, wandte die Hausherrin ein, die selbst keinen einzigen Moment am Tag untätig verbrachte.
    »Ich würde das wirklich gerne tun!«, erwiderte Madeleine ehrlich.
    Charlotte de Laval schien ihr Angebot zu gefallen.
    Sie führte Madeleine durchs Schloss, um ihr einige der Patienten zu zeigen, die im Seitenflügel, in einem abgetrennten Bereich, untergebracht waren. »Es sind überwiegend Verletzte. Ihre Verbände müssen regelmäßig gewechselt werden. Für manche müssen Umschläge gemacht werden, und ihre Wunden sollten außerdem beobachtet werden, damit man bei einer Verschlechterung den Arzt oder gleich den Chirurgen rufen lassen kann«, erklärte Charlotte de Laval. Sie lächelte warm. »Es freut mich, dass Ihr uns helfen wollt! Mein Gemahl hat wohl recht, wenn er sagt, dass es kein Zufall, sondern Gottes Wille war, der Euch zu uns geführt hat!«

56
    D er Mann, der halb aufgerichtet mit geöffnetem Hemd in dem Bett lag, litt unter Schmerzen – unter starken Schmerzen. Sein Gesicht war fahl, und Schweiß perlte auf seiner Stirn, während sich seine Brust in angestrengten und unregelmäßigen Zügen auf und ab senkte. Er war von großer kräftiger Statur und wirkte wie jemand, dem gewöhnlich nichts so leicht etwas anhaben konnte. Umso beunruhigender war sein Zustand.
    Er musste ungefähr in den Fünfzigern sein, schätzte Madeleine, die sich erinnerte, ihn in La Bonnée gesehen zu haben, als ihm zwei Männer die Treppe zum Herrenhaus hochhalfen. Sein Name war Wolfgang van Borsselen. Er war Niederländer und auf der Flucht von der Kugel einer Muskete getroffen worden, hatte ihr Colignys Gemahlin, der Madeleine nun seit drei Tagen bei der Krankenpflege half, auf dem Weg zu seinem Gemach erzählt.
    Aus den Augenwinkeln sah Madeleine, dass am Kopfende des Bettes mehrere Männer standen – Adlige in fremdländischer Kleidung, die sich in einer unbekannten Sprache unterhielten. Einige Worte erinnerten sie ans Deutsche. Sie bemerkte unter den Umstehenden auch den Mann, der im Stall von La Bonnée einmal nach Guillaume gerufen hatte.
    »Wie geht es Euch, Graf?«, fragte Charlotte de Laval.
    Der Angesprochene schien sich zusammennehmen zu müssen, um ihre Frage höflich zu beantworten.
    »Wie wohl, Madame de Coligny? Mehr tot als lebendig, würde ich sagen«, stieß er flach atmend hervor. »Und wenn man diesen Unterschenkel nicht bald entfernt, werde ich das ohne Frage auch bald ganz sein!«, setzte er finster hinzu.
    »Aber nein!« Charlotte de Laval legte ihm begütigend die Hand auf den Arm. »Mit etwas Ruhe wird Eure Wunde bald wieder heilen!«
    Van Borsselen schüttelte mit grimmiger Miene den Kopf. »Nein, wohl kaum. Ich war lange genug im Krieg und weiß, wie so etwas aussieht. Dieser Quacksalber von Chirurg hat die Wunde nicht richtig ausgebrannt.«
    »Euer Körper braucht Zeit, um wieder zu Kräften zu kommen, damit die Wunde heilen kann«, widersprach ihm Colignys Gemahlin.
    Madeleine, die Charlotte de Laval geholfen hatte, den Ver band zu öffnen, hoffte, dass diese mit ihrer Annahme recht haben würde. Die Wunde sah nicht gut aus. Sie war gerötet und zeigte da, wo der Chirurg das Brandeisen eingesetzt hatte, Anzeichen einer beginnenden Entzündung.
    Sie spürte, wie van Borsselen zusammenzuckte, als sie sich vorsichtig anschickte, den durchnässten Verband von seinem Bein zu lösen.
    »Verzeiht«, murmelte sie und hielt einen Moment inne.
    Der Blick des Niederländers, der einen leisen Fluch ausgestoßen hatte, schien sie zu durchbohren. »Wer ist sie?«, fragte er, zu Charlotte de Laval gewandt.
    »Oh, verzeiht – ich vergaß, Euch Mademoiselle Kolb vorzustellen. Sie hilft mir bei der Krankenpflege!«, erklärte Charlotte de Laval, unbeeindruckt von seinem herrischen Tonfall.
    Van

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