Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Mädchen mit dem zweiten Gesicht

Das Mädchen mit dem zweiten Gesicht

Titel: Das Mädchen mit dem zweiten Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Random House
Vom Netzwerk:
jeden Preis Einhalt geboten werden musste. Die zentrale Lage und strategische Bedeutung des Landes würde es den Hugenotten sonst erlauben, sich weiter wie ein Flächenbrand in ganz Europa auszubreiten. Nicht zuletzt der Aufstand in den spanischen Niederlanden zeigte, welch gefährlich schwärende Wunde der Protestantismus dar stellte! Schnitt man das kranke Fleisch nicht heraus, würde es den gesamten Körper infizieren. Spanien unterstützte die Guise daher in ihrem Kampf um den Katholizismus mit Geld und regelmäßi gen Informationen ihrer Spione. Man hatte dem Kardinal darü ber hinaus aber auch signalisiert, dass – sollten sich Catherine de Medicis schwächliche Söhne nicht als Könige halten können – das Blut der Guise würdig wäre, den Thron Frankreichs zu besteigen.
    »Die Nachricht hat mich über unseren Verbindungsmann bei den Hugenotten erreicht«, berichtete Señor d’Alava.
    Der Kardinal blickte den Botschafter an, und ihm wurde wieder einmal bewusst, welch tiefe Bewunderung er für dessen König hegte. Philipp II. hatte die Geschicke seines weitverzweigten und zerrissenen Königreichs schon immer mit Intelligenz und Weitblick gelenkt. So hatte er schon vor Jahren über geheime Kanäle einen Informanten, dessen Identität niemand kannte, bei den Hugenotten eingeschleust. Dieser Spion hatte sie, die Guise, auch über Señor d’Alava wissen lassen, welche Route Coligny auf seiner Reise nehmen würde. Nachdem der Anschlag dann aber so misslich fehlgeschlagen war, war der Botschafter in großer Sorge gewesen, dass der Spion dadurch verraten worden war. Nur ungern erinnerte der Kardinal sich an das Gespräch, das er mit dem Spanier danach geführt hatte. Es hatte Charles de Lorraine alle Mühe gekostet, ihn davon zu überzeugen, dass niemand von den Gefolgsleuten der Guise mit diesem Verrat im Zusammenhang stehen konnte.
    »So wie es aussieht, bereiten sich die Hugenotten auf den Ernst fall vor und ziehen von überall ihre Leute zusammen. Die Schweizer scheinen sie zu verunsichern«, berichtete der Botschafter.
    Der Kardinal nickte, ohne dass die Nachricht ihn sonderlich überraschte. Seitdem Catherine de Medici ihren Sohn Henri statt des Prinzen de Condé zum Kommandeur ernannt hatte, hegte selbst er wieder Hoffnung, dass die Königinmutter sich der Hugenotten doch noch endgültig entledigen würde. Wer weiß, vielleicht war die Florentinerin schlauer, als sie alle gedacht hatten, ging es ihm durch den Kopf. Trotzdem setzte er schon lange nicht mehr auf sie, sondern auf ihren Sohn. In den letzten Wochen war es ihm endlich gelungen, die erforderliche Nähe zu dem jungen König aufzubauen. Der Kardinal hatte in den süßen Nektar der Schmeicheleien, für den Charles so empfänglich war, gezielt und wohldo siert Gift gegen Coligny und Condé geträufelt. Der König sehnte sich danach, sich von seiner übermächtigen Mutter zu befreien, doch er war zu schwach. Hier würde sich ihm eine Gelegenheit bieten, sich endlich zu behaupten. Ein diabolisches Lächeln umspielte die Lippen des Kardinals. Der König war Wachs in seinen Händen. Der junge Charles würde tun, was er wollte, und glauben, dass es seine eigenen Ideen wären, dessen war er sich sicher.
    »Was Euch aber sicherlich sehr viel mehr interessieren dürfte, ist eine andere Neuigkeit«, fuhr der Spanier fort. »Diese Frau, die Ihr sucht – sie befindet sich im Haus des Admirals!«
    Es gelang dem Kardinal nicht, seine Überraschung zu verstecken. »Doch nicht etwa in Châtillon?«
    Der Botschafter nickte und trank mit genüsslicher Miene einen Schluck von dem gekühlten Wein, den ihnen ein Diener zuvor gebracht hatte.
    »Ein Wunder, wie sie dorthin gelangen konnte, ohne dass sie unseren Männern in die Hände gefallen ist. Hat er in Erfahrung bringen können, wie sie von dem Anschlag auf Coligny erfahren konnte?«, erkundigte sich der Kardinal vorsichtig.
    Señor d’Alava stellte das Glas ab. »Nun, das ist das Seltsame! Sie behauptet, sie hätte Eure Männer auf ihrem Weg vom Kloster im Wald gesehen und dabei gehört, wie sie darüber sprachen. Das ist jedenfalls die Geschichte, die sie den Hugenotten erzählt hat«, gab er mit hochgezogenen Brauen wieder.
    Der Kardinal schwieg. Das, was diese junge Frau gesagt hatte, war derart widersinnig, dass weder er noch der Botschafter ein weiteres Wort darüber verlieren mussten. Sein Bruder, der Herzog d’Aumale, hatte mit seinen Männern den Wald des Klosters nicht einmal gekreuzt. Bemerkenswert war

Weitere Kostenlose Bücher