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Das Mädchen mit dem zweiten Gesicht

Das Mädchen mit dem zweiten Gesicht

Titel: Das Mädchen mit dem zweiten Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Random House
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sie dort – mit den Handschellen, ihrem wundgeschlagenen Rücken und dem nassen Gesicht, von dem das Wasser tropfte – an der Wand hing und er mit der Peitsche neben ihr stand. Doch der Schmerz war nicht mehr Teil von ihr, und sie stellte fest, dass sie plötzlich keine Angst mehr spürte. Sie blickte den Herzog an.
    Aumale, der die Veränderung mitbekommen hatte, starrte sie ungläubig an. »Verdammt! Macht dir das alles nichts aus, du Hexe?« Seine Stimme war lauter geworden. Er riss sie zu sich. »Stimmt es doch, was die Oberin sagt, dass du vom Teufel besessen bist, ja? Glaub mir, ich werde dich trotzdem zum Reden bringen.« Wie ein Besinnungsloser schlug er weiter auf sie ein.
    Ein Bild des Herzogs flackerte vor Madeleine auf – wie er Coligny im Wirtshaus die Kehle durchschnitt, so wie sie es in ihrer Vision vor sich gesehen hatte. Dann glitt sie zurück in den roten Nebel.

62
    E s gelang Nicolas de Vardes nur mit halbem Ohr, den Gesprächen um sich herum zuzuhören. Die Männer waren aufgebracht. Zu Recht, musste man zugeben, wenn die Informationen, die ihnen ein Vertrauter vom Hof hatte zukommen lassen, tatsächlich stimmten. Die Gerüchte besagten, dass der König die Anführer der Hugenotten beseitigen lassen wollte. Der Admiral de Coligny sollte einem Anschlag zum Opfer fallen und der Prinz de Condé verhaftet werden. Drahtzieher dieses Plans sei niemand anderes als der Kardinal de Lorraine. Es schien ihm gelungen zu sein, den jungen König hinter dem Rücken der Medici davon zu überzeugen, dass nur dann endgültig Friede im Land herrschen könnte, wenn man die Anführer der Hugenotten ausschalten und das Edikt von Amboise widerrufen würde.
    »Charles ist zwar jähzornig und launisch, aber in seinem Wunsch, als König respektiert und behandelt zu werden, so berechenbar, dass es für den Kardinal wahrscheinlich ein Leichtes gewesen sein dürfte, ihm diese Idee einzuflüstern«, stieß Colignys Bruder, François de Châtillon, grimmig hervor.
    »Nun, der König ist kein schlechter Mensch, aber er ist dem verderbten Einfluss des Hofes ausgesetzt. Er will sich von seiner Mutter befreien und erkennt nicht, dass der Einfluss der Guise ein noch weit gefährlicherer ist«, erwiderte der Prinz de Condé, der angesichts der Bedrohlichkeit der neuesten Entwicklungen gerade nach Châtillon gekommen war.
    Colignys Stirn zeigte tiefe Falten. »Kann man sich sicher sein, dass wir diesen Informationen wirklich trauen können? Vielleicht haben die Guise sie auch absichtlich in Umlauf gebracht«, sagte er schließlich. »Was meint Ihr dazu, Monsieur de Vardes?«
    Vardes zuckte die Achseln. »Die Möglichkeit besteht durchaus. Was könnte besser für sie sein, als wenn wir uns dadurch zu ir gendwelchen unüberlegten Handlungen provozieren ließen, oder?«
    Condé schüttelte den Kopf. »Nein, der besagte Herzog war bei dem Gespräch selbst anwesend. Ich bin sicher, dass es sich um die Wahrheit handelt. Außerdem gibt es einen Brief, den wir abgefangen haben.«
    »Einen Brief?«, fragte Vardes überrascht.
    Der Prinz nickte. »Ja, vom Kardinal de Lorraine an den spanischen König!« Er kräuselte verächtlich den Mund. »Das Schreiben lässt keinen Zweifel, in welche Richtung der Kardinal den König zu beeinflussen versucht!«
    »Man müsste es schaffen, Charles endlich dem Einfluss dieser widerlichen Papisten zu entziehen«, sagte François de Châtillon.
    Der Admiral wandte nachdenklich den Kopf zu seinem Bruder. »Vielleicht wäre das eine Idee«, sagte er.
    Ronsard zog die Brauen hoch. »Was? Den König dem Einfluss der Guise-Lorraine zu entziehen? Dazu müsste man ihn schon entführen!«
    Coligny schüttelte sinnend den Kopf. »Nicht entführen, aber vielleicht befreien, um mit ihm in Ruhe reden zu können.«
    Nicolas de Vardes verfolgte, wie die Blicke der anderen Männer zu dem Admiral glitten und sie sich tatsächlich darüber zu unterhalten begannen, ob es eine gute Idee wäre, den König dem Hof gewaltsam zu entreißen.
    Zerstreut trank er einen Schluck Wein, während sich seine Gedanken anderen Dingen zuwandten, die ihn zurzeit weit mehr besorgten. Schlaflose Nächte lagen hinter ihm – Madeleine war verschwunden! Seit zwei Tagen war sie wie vom Erdboden verschluckt und keine Spur von ihr zu finden. In jener Nacht, als sie sich verabredet hatten, war er etwas später von der Besprechung mit dem Admiral gekommen und hatte sie nicht mehr auf dem Turm angetroffen. Im ersten Moment hatte er angenommen, dass sie

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