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Das Maedchen mit den Schmetterlingen

Titel: Das Maedchen mit den Schmetterlingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carol Coffey
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was ist es denn dann, Herr Doktor?«
    »Sie sind schwanger.«

    Marcus Gill besah sich die Zeichnungen, die Deirdre O’Connell ihm vorgelegt hatte, und gab in regelmäßigen Abständen ein »hmmm« von sich.
    »Das ist gut, wirklich gut, sehr düster. Und die hat Ihre Freundin gemalt?«
    »Ja, na ja, ehrlich gesagt, sie stammen von Tess Byrne … wissen Sie noch? Die junge Frau, die hier ihr Berufspraktikum gemacht hat?«
    »Tatsächlich?« Marcus Gill war verblüfft.
    Abgesehen von ihrem kleinen Ausbruch hatte sie einen sehr angenehmen Eindruck hinterlassen. Bedauerlich, dass sie das Praktikum abgebrochen hatte, aber er hatte schon von der Tragödie gehört, die ihre Familie heimgesucht hatte.
    »Haben Sie vielleicht eine Ahnung, was sie bedeuten könnten?«, erkundigte sich Deirdre voller Hoffnung.
    »Warum fragen Sie sie nicht selbst?«
    »Nun, das ist nicht so einfach. Sie wissen, dass sie Autistin ist?«
    Marcus nickte.
    »Das bedeutet, dass sie große Schwierigkeiten hat, sich verbal auszudrücken oder ihre eigenen Gefühle zu verstehen. Daher ist es ihr wahrscheinlich gar nicht möglich, mir zu sagen, was ihre Bilder bedeuten. Ich hatte gehofft, dass Sie mir vielleicht weiterhelfen können.«
    Marcus nahm sich das Bild vom See noch einmal genauer vor. Deirdre erklärte ihm, wer die einzelnen Personen waren, und erzählte ihm alles, was sie über den Mord an Michael Byrne wusste.
    »Nun, meine Liebe, Sie wissen ja, dass wir ganz unterschiedliche Dinge in ein Bild hineininterpretieren, und es mit ganz anderen Augen sehen als der Betrachter neben uns«, sagte er. »Das ist etwas sehr Individuelles.«

    Deirdre begann zu zweifeln, ob es richtig gewesen war, die Bilder hierherzubringen. Es hatte sie viel Mühe gekostet, Tess dazu zu bewegen, sie ihr anzuvertrauen, und das auch nur, weil Deirdre ihr neue Farben und Pinsel versprochen hatte.
    »Aber …«, fuhr er fort, »wenn Sie meine bescheidene Meinung hören wollen, dann würde ich sagen, auf diesem Bild ist sie das Opfer. Sehen Sie?« Er deutete auf ihr undeutliches Gesicht. »Sie hat keinen Mund … dadurch ist sie zur Hilflosigkeit verdammt.«
    »Könnte das heißen, dass sie ein Geheimnis hüten muss?«, hakte Deirdre nach.
    »Hmmm … möglich … aber diese Insekten, die sind interessant. Das sind die Bösewichte, um es einmal vereinfacht auszudrücken. Sie sehen ja fast identisch aus, nur, dass der eine einen abgebrochenen Schneidezahn hat. Sie stehen für reale Personen, für Menschen, die sie kennt. Sehr interessant. Was hat sie sich denn vorgestellt?«
    »Wie bitte?«, sagte Deirdre.
    »Sie will die Bilder doch verkaufen, oder? Die sind durchaus was wert. Ich könnte vielleicht sogar eine Ausstellung organisieren. Sie soll mal darüber nachdenken und kann mich gerne anrufen, um einen Termin zu vereinbaren. Sie hat Talent.« Nachdenklich betrachtete er das Bild.
    »Oh, ich glaube kaum, dass sie das möchte, aber ich richte es aus … vielleicht … ich weiß nicht.«
    Deirdre verließ die Galerie und legte die Bilder in ihr Auto. Sie war sich sicher, dass sie eine Erklärung für die Ereignisse von damals enthielten, aber obwohl sie jetzt einen kleinen Schritt weiter war, hatte sie das Gefühl, als würde sie niemals erfahren, was damals wirklich geschehen war.
    Bevor sie nach Árd Glen zurückfuhr, besorgte sie noch im Schreibwarengeschäft die versprochenen Malutensilien
für Tess. Seit Kate erfahren hatte, dass sie schwanger war, herrschte auf dem Hof der Byrnes eine angespannte Atmosphäre. Mit allem hatte Deirdre gerechnet, nur damit nicht. Die Nachricht hatte Kate zwar allem Anschein nach aus ihrer Depression gerissen, aber gleichzeitig in eine latente Unruhe versetzt. Sie erzählte Deirdre von ihrem Verhältnis mit Dermot, von dem sie seit seiner Abreise nichts gehört hatte. Sie wollte es ihm ohnehin nicht sagen, weil er sich nicht verpflichtet fühlen sollte, sie zu heiraten, aber sie war ratlos, wie es weitergehen sollte. Tess durfte es vorerst nicht erfahren, was auch keine Eile hatte, da sie, wie sie nachgerechnet hatte, erst in der achten Schwangerschaftswoche war. Der ständige Brechreiz wurde durch eine »Hyperemesis gravidarum« verursacht, eine extreme Form der Schwangerschaftsübelkeit, unter der, wie Deirdre wusste, manche Frauen zu leiden hatten. Kates Mutter hatte ebenfalls darunter gelitten, als sie mit Ben schwanger war. Kate musste regelmäßig Vitamintabletten einnehmen, um einen längeren Krankenhausaufenthalt zu vermeiden.

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