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Das Maedchen mit den Schmetterlingen

Titel: Das Maedchen mit den Schmetterlingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carol Coffey
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behauptete zwar, dass sie gelegentlich etwas aß, doch jede Lüge wurde auf der Stelle von Tess korrigiert, die wie eine Aufseherin in der Tür stand.
    Dr. Doyle nahm eine Blutprobe und versprach, sich zu melden, sobald die Ergebnisse vorlagen. Er blickte sich im Haus um, das erste Anzeichen von Verwahrlosung erkennen ließ, dann warf er einen Blick auf Tess, die nervös und angespannt im Türrahmen lauerte. Deirdre signalisierte ihm, dass sie
ihn unter vier Augen sprechen wollte. Draußen auf dem Hof stimmte Dr. Doyle ihr zu, dass Tess irgendwo anders untergebracht werden musste, falls Kate sich nicht schnell erholte. Wenn Kate nicht innerhalb der nächsten Woche Anzeichen für eine Besserung zeigte, dann wollte er die notwendigen Schritte einleiten. Er hatte kein gutes Gefühl dabei, weil er spürte, dass eine Trennung den beiden Schwestern eher schaden als nützen würde. Deirdre war einverstanden, versprach jeden Tag nach dem Rechten zu sehen und eine Haushaltshilfe zum Kochen und Saubermachen zu organisieren. Dermot kümmerte sich um das Vieh, so gut er konnte, aber da Kate sich weigerte, mit ihm zu sprechen, betrat er das Haus überhaupt nicht mehr. Deirdre ging zurück ins Haus, ohne zu ahnen, dass Tess jedes Wort mit angehört hatte. Sie warf noch einmal einen Blick auf Kate, die aufrecht im Bett saß und ins Leere starrte.
     
    Tess hörte Dermots Auto über den Schotter in der Einfahrt rollen und stand auf, um die Hintertür zu öffnen. Sie erkannte die unterschiedlichen Autos am Geräusch und musste keinen Blick aus dem Fenster werfen, um zu wissen, wer gerade ankam. Deirdre O’Connells Motor war leise und machte weniger Lärm als Dermots, und Dr. Doyles Auto schepperte, obwohl es eigentlich neuer aussah als das von Deirdre.
    Als Dermot die Küche betrat, empfing Tess ihn mit einer ungelenken Umarmung.
    »Ist Kate wach, Tess? Ich muss mir ihr reden.«
    Tess bemerkte Dermots angespannte Miene. Hoffentlich gab es keinen Streit.
    »Ja, Dermot. Sie liegt im Bett.«
    Dermot seufzte. Über ein Monat war seit der Beerdigung vergangen, und Kate hatte sich immer noch nicht gefangen. Er
blickte sich um. Das Haus wirkte immerhin etwas sauberer als sonst, und mit Tess schien alles in Ordnung zu sein.
    Er ging den Flur hinunter und klopfte leise an, bevor er eintrat. Kate lag wach. Dermot war froh, dass sie wieder ihr eigenes Zimmer bezogen hatte, was, wie Tess ihm verraten hatte, auf Deirdre O’Connells Veranlassung geschehen war. Als er eintrat, hob sie nicht einmal den Kopf.
    »Kate?«
    Keine Reaktion.
    »Kate, könntest du dich vielleicht aufsetzen, bitte? Ich muss mit dir reden. Es ist wichtig.«
    Keine Reaktion.
    Dermot setzte sich aufs Bett. Er spürte ihre Wärme und hatte Verlangen nach ihrer Nähe. Sie fehlte ihm, aber er schien sie nicht mehr zu erreichen. Er war ratlos und betete, dass sie aus diesem Zustand wieder erwachte, aber letzten Endes war er davon überzeugt, dass er sie verloren hatte.
    »Kate, mein Vater in Galway ist krank geworden.«
    Kate wandte den Kopf und starrte ihn an, als hätte ein Fremder sie gerade geweckt.
    »Heute früh hat meine Mutter angerufen. Er hatte einen Schlaganfall, als er das Vieh gefüttert hat. Ich muss für eine Weile nach Hause. Ich habe John Redmond gebeten, sich in der Zwischenzeit um das Vieh zu kümmern.«
    Kate blickte zu ihm auf, in ihren Augen standen Tränen. Dermot schluckte. Er wollte nicht, dass alles noch schwieriger wurde, als es ohnehin schon war. Es brach ihm das Herz, dass er sie so zurücklassen musste. Wenn seine Mutter ihn am Telefon nicht angefleht hätte, nach Hause zu kommen, würde er nicht hinfahren, denn das Verältnis zwischen Dermot und seinem Vater war endgültig zerrüttet. Er packte Kate an den Schultern, wollte sie aufrichten und sie umarmen, doch sie
versteifte sich und sah ihn zu seiner Enttäuschung vorwurfsvoll an. Er stand auf und ließ resigniert die Schultern hängen.
    »Kate, bitte sag doch etwas, bevor ich gehe«, flehte er leise.
    Kate blickte ihn noch ein letztes Mal an, dann drehte sie sich zur Wand. Er ging hinaus, ohne die Tränen zu sehen, die ihr über die Wangen rollten, während sie die kalte, feuchte Mauer anstarrte.
    Er blieb eine Weile im Flur stehen und fragte sich, was eigentlich schiefgelaufen war. Sie hatten sich nicht gestritten, und er hatte ihr bei den Trauerfeierlichkeiten für ihre Brüder pausenlos zur Seite gestanden. Dermot ließ sich gegen die Wand sinken. Er hatte nicht die leiseste Ahnung, warum sie

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