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Das Maedchen mit den Schmetterlingen

Titel: Das Maedchen mit den Schmetterlingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carol Coffey
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mittlerweile am liebsten allein mit seinen Erinnerungen an ihre gemeinsame Zeit. So konnte er sie lebendiger im Gedächtnis behalten.
    »Ja?«, sagte er zu Sam.
    Sam schien es, als hätte der alte Mann gerade noch geweint.
    »Guten Tag. Ich bin Sam Moran. Ich arbeite für die …«
    »Sind sie etwa von der Polizei? Meine Tochter hat gesagt, dass die kleine Byrne wieder zu Hause ist. Warum können Sie’s denn nicht einfach gut sein lassen?«
    »Nein, Mr. Healy. Ich bin Reporter. Ich schreibe gerade einen Bericht über den Mord und versuche herauszufinden, was damals tatsächlich passiert ist. Ich habe gehört, dass Sie als Zeuge am Tatort waren und dachte, dass Sie sich vielleicht noch daran erinnern können.«
    »Erinnern? Was, zum Teufel, soll das denn heißen? Glauben Sie etwa, ich bin nicht mehr ganz richtig im Kopf, bloß weil ich alt bin? Ich kann mich sehr gut daran erinnern, aber trotzdem sage ich: Lassen Sie’s gut sein. Ich habe der Polizei damals alles gesagt. Das Mädchen hat dafür bezahlt, oder etwa nicht, also warum lassen Sie’s nicht einfach gut sein?«
    Sam stand schweigend vor der Tür. Mit dieser Entschlossenheit
hatte er nicht gerechnet, und er wollte keinen Streit vom Zaun brechen.
    »Sir, ich möchte die ganze Sache einfach nur aus der Sicht des Mädchens darstellen. Ihr Gehör verschaffen, verstehen Sie?«
    »Na, Junge, frag sie doch selber«, erwiderte der alte Mann und schlug dem Reporter die Tür vor der Nase zu.
    Sam entfernte sich. Sein Selbstbewusstsein hatte höchstens ein paar kleine Schrammen abbekommen. Wenn er sich beeilte, dann konnte er noch vor dem Mittagessen bei Mullins sein.
     
    Zuversichtlich steuerte Sam auf das Haus des pensionierten Sergeants zu und klopfte kräftig an die Tür.
    »Herein!«, dröhnte eine laute Stimme aus dem bescheidenen Häuschen, das in einer kleinen Seitenstraße linker Hand der Hauptstraße stand.
    Sam drehte den Schlüssel um, der an einem alten Stück Zwirn befestigt war und Tag und Nacht im Haustürschloss steckte. Erstaunlich, dass ein ehemaliger Polizist so unvorsichtig war. Árd Glen war zwar immer noch ein relativ sicherer Ort, aber deswegen brauchte man ja nicht gleich den Schlüssel stecken zu lassen, fand Moran. Seine Frau behauptete zwar immer, dass seine Kindheit in Dublin schuld daran sei, aber er war da anderer Ansicht. Er war einfach nur vorsichtiger und außerdem ehrlich genug zuzugeben, dass er von der Menschheit immer nur das Schlimmste erwartete.
    Sergeant Peter Mullins saß zusammengesunken in einem abgewetzten Sessel in seiner Küche. Der Ofen hatte die Wände schwarz gefärbt, und auf dem Küchentisch mit der Wachstuchdecke lagen noch die Überreste des kärglichen Mittagsmahls, das er sich zubereitet hatte. Auf einem Tischchen in der Zimmerecke thronte ein weißer Plastikfernseher. Der Stecker
war herausgezogen, ein Radio war nirgends zu entdecken. Der kleine Hund zu Füßen des alten Mannes beobachtete Moran wachsam und knurrte gelegentlich.
    Großartig, dachte Sam. Schon wieder so ein verdammter Köter.
    »Beißt er?«, fragte er nervös.
    »Nur, wenn ich es ihm sage«, erwiderte der pensionierte Sergeant mit unbewegter Miene, und Sam war unschlüssig, ob er es ernst meinte oder nicht.
    An der zusammengesunkenen Haltung des Sergeants und an seiner Alkoholfahne erkannte Sam, dass er sich die Flasche Jamesons, die er als kleine Bestechung auf dem Weg hierher noch besorgt hatte, hätte schenken können. Slattery hatte ihm verraten, dass Mullins ein Säufer war und oft alleine zu Hause saß und trank, auch tagsüber. Mattie hatte offenbar die Wahrheit gesagt, denn Mullins hatte schon ordentlich getankt. Das dürfte nicht weiter schwierig werden, dachte Sam, ohne jede Spur von Schamgefühl.
    »Sergeant Mullins, ich bin Sam Moran von der Weekly News . Ich schreibe gerade einen Artikel über die kleine Byrne. Sie ist kürzlich freigelassen worden, und ich wollte …«
    »Also, gleich mal vorneweg, mein Junge, ich bin im Ruhestand, also nennen Sie mich Pete. Außerdem können Sie in diesem Fall nicht von Freilassung sprechen, da Sie ja in einer Klinik war, nicht im Gefängnis. Sie war doch damals erst elf Jahre alt. Oder haben Sie schon mal gehört, dass man ein Kind ins Gefängnis gesteckt hat?«
    »Na ja, nein, hab ich nicht, aber sie war doch schuldig, oder?«
    »Wer weiß? Sie wurde am Tatort aufgefunden. Hat einfach nur da gestanden und ihn angestarrt, laut Zeugenaussage. Healy hat damals gesagt, dass sie sich mehr für den

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