Das Maedchen mit den Schmetterlingen
Benedict Byrne, zu dessen ausschließlichem Nutzen. Ich ernenne Mr. Seán Byrne bis zu Bens 21. Geburtstag zum Vermögensverwalter. Falls Benedict mich nicht überleben sollte, hinterlasse ich mein gesamtes Vermögen einschließlich all meiner Ländereien meiner Tochter Teresa Mary Byrne zu ihrem ausschließlichen Nutzen. Seán Byrne ist als Vermögensverwalter eingesetzt, bis Teresa volljährig ist.«
Roberts sah sämtliche Farbe aus dem Gesicht des jungen Mannes weichen.
»Mr. Byrne, ist alles in Ordnung?«
Seán war wie gelähmt. Sein Verstand schien nur noch in Zeitlupe zu arbeiten und sich ausschließlich mit Dingen zu beschäftigen, die wenig oder gar nichts mit dem soeben Gesagten zu tun hatten. Erinnerungen, wie Michael Byrne sie verprügelt hatte, schossen ihm durch den Kopf. Seán begriff endlich, warum sein Vater ihn so brutal behandelt hatte. Er räusperte sich.
»Was stand denn in seinem vorherigen Testament?«
»Mal sehen … da haben wir’s. Das hat er bei Brown & Son verfasst, 1961. Im Wesentlichen ist es derselbe Text, nur dass er hier alles seiner einzigen Tochter Teresa vermacht hat.«
Seán riss vor Überraschung die Augen auf. Die Erkenntnis, dass Kate nicht Michael Byrnes Tochter war, erschütterte ihn bis ins Mark. Er hatte zwar schon gelegentlich geargwöhnt, dass Byrne nicht sein leiblicher Vater war, aber dass seine Mutter zwei Kinder mit einem anderen Mann gehabt hatte, brachte ihn vollkommen aus dem Gleichgewicht.
Roberts war es keineswegs unangenehm, Seán mitteilen zu
müssen, dass Michael Byrne nicht sein leiblicher Vater war. Er hatte im Lauf der Jahre mit zahlreichen vergleichbaren Situationen zu tun gehabt, und der Bursche sah auch nicht so aus, als hätte ihn die Nachricht völlig unvorbereitet getroffen. Mitfühlend wandte er sich an den jungen Mann, der an einem einzigen Nachmittag sein gesamtes Vermögen verloren hatte, und erzählte ihm den Rest der Geschichte.
»Ihr … ähm … Vater scheint ein eher unangenehmer Charakter gewesen zu sein. Bis zu diesem Punkt habe ich selbst ihn betreut, aber als das Testament aufgesetzt wurde, hatte ich einen auswärtigen Termin. Darum habe ich Mr. McCracken gebeten, sich der Sache anzunehmen, da er zur Unterschrift noch einmal bei uns erscheinen sollte. Aber er hat sich nie wieder blicken lassen. Nach den Angaben auf dem Totenschein hat er schon wenige Tage später ein böses Ende gefunden. Das erklärt zwar, warum er sich nie wieder gemeldet hat, lässt uns aber mit der Frage zurück, wie wir jetzt verfahren sollen. Ein letzter Wille ohne Unterschrift ist ungültig. Das bedeutet, dass das vorherige Testament Gültigkeit besitzt. Demnach ist Ihre Schwester Teresa die rechtmäßige Eigentümerin.« Er machte eine Pause. »Ist die Polizei eingeschaltet worden?«
»Ja«, bestätigte Seán und wurde rot. »Die glauben, dass meine Schwester es getan hat. Man hat sie … ähm … bei der Leiche entdeckt.« Dass er derart persönliche Angelegenheiten mit diesem Fremden besprechen musste, war ihm peinlich.
»Was sagen Sie denn dazu?«, erkundigte sich der Rechtsanwalt vorsichtig. Er wollte verhindern, dass seine Kanzlei in einen solchen Fall verwickelt wurde, und musste behutsam vorgehen.
»Tess kann von dem Testament nichts gewusst haben. Außerdem hätte es ihr nicht das Geringste bedeutet. Sie ist erst elf Jahre alt und … ach, ich weiß auch nicht …«
»Hat die Polizei sich nicht nach einem möglichen Motiv erkundigt?«
»Doch, schon, aber der Hof hat dabei keine Rolle gespielt. Wir sind einfach alle davon ausgegangen, dass ich ihn bekomme als der älteste Sohn …«
»Und Sie haben bestimmt nichts von den Plänen Ihres … von Mr. Byrnes Plänen gewusst?«
»Nein, na ja, jedenfalls nichts Genaues. Ich habe gewusst, dass er mich nicht leiden kann, aber nicht, warum. Jetzt, wo ich Bescheid weiß, wundert mich natürlich nichts mehr, aber ich hab’s nicht gewusst. Ehrenwort.« Seán fand, dass er jetzt genug geredet hatte, und stand auf.
»Wir müssen die Polizei verständigen, wegen des Testaments, verstehen Sie?«, sagte Roberts vorsichtig.
»Ich weiß«, entgegnete Seán, während er bereits auf dem Weg zur Tür war.
»Danke, Mr. Byrne, und alles Gute«, sagte der Rechtsanwalt.
»Byrne? Ist ja eigentlich gar nicht mein richtiger Name, oder?«
Als Seán das Gebäude verließ, stand Éamonn McCracken an seinem Bürofenster und sah dem schüchternen jungen Mann nach, der mit gesenktem Kopf und hängenden Schultern die
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