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Das Maedchen mit den Schmetterlingen

Titel: Das Maedchen mit den Schmetterlingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carol Coffey
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allerbesten Freund geworden war.
    Dr. Cosgrove hatte sie einmal gefragt, ob sie sich vorstellen könne in einer, wie er sagte, »Pflegefamilie« zu leben, aber sie hatte angefangen zu schreien, und er hatte das Thema nie wieder angeschnitten. Er hatte ihr auch erzählt, dass ihre Schwester und ihr Bruder sehr viel Arbeit mit dem kleinen Bruder und dem Hof hatten, dass die beiden sie aber nicht vergessen hatten und sich auf ein Wiedersehen freuten, sobald sie wieder mehr Zeit hatten. Tess wusste, dass es eine Lüge war, und verlangte von Dr. Cosgrove, sich dafür zu entschuldigen. Das hatte sie mittlerweile auch gelernt. Allerdings brachte sie manchmal etwas durcheinander und entschuldigte sich
bei Kindern, die ihr Schimpfwörter nachgerufen hatten. Sie versuchte, sich so normal zu benehmen, wie sie nur konnte, sprach sogar gelegentlich und beantwortete alle Fragen, die sie verstand.
    Tagsüber saß sie über ihren Aufgaben, die Zwischenprüfung hatte sie bereits bestanden. In zwei Jahren könne sie ihre Abschlussprüfung machen, hatte die Lehrerin gesagt. Die Abende verbrachte sie weiterhin mit Malen. Die Krankenschwestern und Wärter schenkten ihr manchmal Papier und Farbe.
    Von Leroy wusste sie, dass sie umziehen mussten, wenn sie achtzehn waren, da die Klinik nur für Kinder gedacht war, was Tess in Angst und Schrecken versetzte, und sie strengte sich noch mehr an, brav zu sein, für den Fall, dass Kate nicht mehr böse auf sie war und sie nach Hause holte. Sie konnte sich noch gut an die Wiesen und das Haus erinnern, aber Kates Gesicht verblasste zusehends, und bei Seán war es nicht anders. Von Ben war ihr nur sein Geschrei in Erinnerung geblieben, weshalb sie nur ungern an ihn dachte.
    Außer ihren Bildern vom See malte Tess immer häufiger das Haus, so, wie sie es in Erinnerung hatte. Sie hatte Alpträume, in denen sie alleine eine Landstraße entlanglief und ihre Schritte zählte, ohne dem Haus irgendwie näher zu kommen. Die ganze Umgebung kam ihr fremd vor, und auch die Berge waren nicht dieselben wie zu Hause, weit und breit war kein See zu sehen, und dann hatte sie vergessen, wie ihr Haus aussah. Sie rief nach Kate, und an dieser Stelle wachte sie jedes Mal auf und traute sich nicht mehr einzuschlafen. In diesen Nächten stand sie auf und malte in der Dunkelheit immer wieder das Haus, summte schaukelnd vor sich hin und wartete sehnsüchtig auf den Morgen.

Kapitel 35
    1981
    A ls Kate das nächste Mal ihren Bruder im Krankenhaus besuchte, fand sie ihn zusammen mit ein paar anderen Männern aus seinem Schlafsaal in einem kleinen Gemeinschaftsraum. Sie freute sich, denn Seán war immer sehr schüchtern und kontaktscheu gewesen. Auch im Pub trank er für gewöhnlich alleine und redete nur mit anderen, wenn er angesprochen wurde. Dass er sich hier anders verhielt, lag mit Sicherheit auch daran, dass er mit diesen Männern einiges gemeinsam hatte. Alle hier hatten ein Alkoholproblem, wie sie von Séan wusste. Die meisten Ehen waren gescheitert, und viele bekamen nicht einmal Besuch von ihren Angehörigen.
    Séan vermied jeden Blickkontakt, als er seine Schwester ungelenk umarmte. Er erkundigte sich, wie es ihr ging, und schien überhaupt mehr Anteil an ihrem Leben zu nehmen als früher, was sie stutzig machte. Er konnte doch unmöglich wissen, was sich zwischen Dermot und ihr entwickelt hatte. Kate berichtete, dass es mit dem Hof vorwärtsging und dass Dermot Überstunden machte. Sie erzählte ihm von Ben und seiner neu erworbenen Selbständigkeit. Er war jetzt in der Lage, Kate zu signalisieren, wenn er etwas zu essen oder zu trinken wollte, und von Schwester O’Connell hatte Kate gelernt, diese Zeichen zu verstehen. Er konnte sogar signalisieren, wenn er müde war und schlafen gehen wollte, und so hatte auch
endlich das abendliche stundenlange Gebrüll ein Ende. Tess und ihr Berufspraktikum erwähnte Kate mit keinem Wort. Sie wusste, dass Seán von den Fortschritten der armen Tess nichts hören wollte, und das machte sie traurig. Schließlich trug Tess nicht die geringste Schuld an Seáns Zustand. Immerhin war sie, genau wie Ben, das Kind ihrer Mutter, doch Kate wusste, dass Seáns Abneigung in erster Linie mit dem Hof zusammenhing.
    Nach einer Weile ging Kate der Gesprächsstoff aus, und sie fing an, vom Tod der alten Nachbarn zu erzählen - was Séan nicht im Geringsten interessierte.
    Er wandte sich ab und blickte aus dem Fenster. Als er nervös mit dem Fuß auf das graue Linoleum klopfte, wurde ihr

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