Das Maedchen mit den Schmetterlingen
aufeinander. Kate soll nicht mehr böse sein auf mich, also entschuldige ich mich einfach.«
Cosgrove musterte Tess aufmerksam. Er war unschlüssig, wie er reagieren sollte, und wog seinen nächsten Satz sorgfältig ab.
»Du magst es nicht, wenn jemand lügt, nicht wahr, Tess?«
»Ja.«
»Wenn du dich dafür entschuldigen würdest, dass du deinen Dad geschlagen hast, wäre das eine Lüge?«
»Ja, aber ich möchte nach Hause. Ich kann mich ja auch für das Lügen entschuldigen.«
Cosgrove räusperte sich. Er wusste, dass Tess entschlossen war, hier herauszukommen. Er musste unbedingt persönlich mit ihren Geschwistern sprechen, um zu erfahren, warum sie
auf seine Briefe nicht reagierten. Er hatte das Gefühl, dass es nicht richtig wäre, sie hierzubehalten, aber solange es keine andere Möglichkeit der Unterbringung gab, hatte er keine Wahl.
»Tess, ich finde, du solltest noch ein Weilchen hierbleiben, nur so lange, bis deine Familie in der Lage ist, dich wieder aufzunehmen. Du hast doch noch Prüfungen und willst uns bestimmt nicht ohne Abschlusszeugnis verlassen, oder?«
Tess dachte nach und schüttelte bedächtig den Kopf. »Nein.«
»Dann bleibst du also noch eine Weile hier? Und ich sehe zu, was ich erreichen kann?«
»Wie lange noch?«, erkundigte sie sich arglos.
Cosgrove schluckte. Er wollte ihr mühsam aufgebautes Vertrauensverhältnis nicht mit einer Lüge belasten.
»Ich weiß es nicht, Tess. Das ist meine ehrliche Antwort. Aber wir besprechen das Ganze nach den Abschlussprüfungen. Einverstanden?«
Tess starrte an Cosgrove vorbei auf die hellgrüne Farbe zu beiden Seiten des Fensters.
»Einverstanden«, erwiderte sie tonlos, ohne genau zu wissen, womit sie sich eigentlich einverstanden erklärt hatte.
Kapitel 32
1981
S am Moran schenkte sich bereits die vierte Tasse Kaffee an diesem Morgen ein. Er stand vor seinem unaufgeräumten Schreibtisch und blickte hinaus auf den Parkplatz, wo man ihn vor zwei Wochen überfallen hatte. Seine Rippen taten ihm immer noch weh, wenn er hustete, was umso unangenehmer war, weil er sich erkältet hatte und praktisch ununterbrochen husten musste und nur in zusammengekrümmter Haltung am Schreibtisch sitzen konnte. Der Bluterguss unter seinem Auge war fast nicht mehr zu sehen, was man von Rabbits Verletzungen nicht behaupten konnte, der offensichtlich eine entschieden heftigere Abreibung bekommen hatte als er. Er ging nicht davon aus, dass Rabbit verraten hatte, wo er wohnte. McCracken hatte sich die Adresse problemlos besorgen können, schließlich hatte Sam ihm selbst gesagt, für welche Zeitung er arbeitete. Außerdem hatte man ihn vor dem Überfall mehrere Tage lang beschattet.
Sam erwog durchaus, die ganze Geschichte auf sich beruhen zu lassen, aber er konnte sich einfach nicht erklären, wie McCracken in dieses Bild passte, und das ließ ihm keine Ruhe. Er wollte nicht klein beigeben. Wenn er ein anständiger Reporter werden wollte, durfte er sich nicht von ein paar lächerlichen Drohungen einschüchtern lassen. Wie sollte ein Kleinbauer aus Wicklow, der bislang noch nie mit der Polizei
in Konflikt geraten war, mit der IRA in Kontakt stehen? Worin bestand McCrackens Verbindung nach Árd Glen? Irgendwo musste es einen Menschen geben, der die Antwort auf diese Fragen kannte, und wenn Sam jetzt aufgab, dann kam ihm womöglich ein anderer Reporter zuvor und schnappte ihm seinen großen Durchbruch vor der Nase weg. Was ihm jedoch Sorge bereitete, war die latente Bedrohung seiner Familie. Er kehrte an seinen Schreibtisch zurück und setzte sich, wobei der Schmerz ihn zusammenzucken ließ, der ihn wohl daran erinnern sollte, seine Überlegungen für sich zu behalten
Als Tess von ihrer Abendveranstaltung zurückkam, hatte Kate das Bett, das sie mit Dermot geteilt hatte, schon wieder verlassen und saß in der Küche neben dem Herd, als wäre noch alles beim Alten, als wäre sie noch die Alte. Sie hatte Dermot an der Hintertür eine gute Nacht gewünscht, wo sie beide ineinander versunken verharrt hatten, um den Abend in ihrem Gedächtnis zu verankern, als wäre es ihr letzter. Wie gerne hätte sie Tess ins Vertrauen gezogen, wie es unter Schwestern üblich ist, aber vorläufig musste sie alles für sich behalten. Außerdem wäre es vielleicht nicht angemessen, denn Tess wusste trotz ihrer einundzwanzig Jahre sicherlich nicht viel von Männern.
Kate schämte sich nicht. Sie bereute nichts, und das würde sie vermutlich auch nie, egal, was aus ihrer
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