Das Maedchen mit den Schmetterlingen
Beziehung letztlich werden sollte. Gegen Mitternacht wurde Kate aus ihren Träumen gerissen. Peggy platzte zur Hintertür herein und berichtet aufgeregt, dass Tess nicht das kleinste bisschen gegessen hatte. Tess stand schweigend neben ihrer lärmenden Freundin und lächelte unsicher, ohne die geringsten Anzeichen einer Panik.
Nachdem Peggy verschwunden war, öffnete Tess seelenruhig
den Kühlschrank und machte sich gierig über die Reste des Kuchens her. Als sie fertig war, musterte sie ihre Schwester und legte den Kopf auf die Seite, wie immer, wenn sie eine Frage stellten wollte.
»Kate, bist du krank?«
»Nein.« Kate war irritiert. Worauf wollte ihre Schwester hinaus? »Warum fragst du?«
»Dein Gesicht sieht verändert aus. Erhitzt.« sagte Tess nach einem prüfenden Blick, bevor sie sich noch etwas zu essen aus dem Kühlschrank nahm.
Kate lächelte. Sie war verändert. Sie war glücklich. Sie sah voller Vorfreude in die Zukunft und, was das Beste war, endlich schien auch ihre Schwester davon Notiz zu nehmen.
Kapitel 33
1974
S chweigend hockte Kate in der Küche, die Hände fest im Schoß gefaltet. Seán las den Brief, der heute Morgen in der Post gewesen war.
»Und?«, fragte sie, als er den Brief zurück in den Umschlag steckte und auf den Küchentisch warf.
»Was, und?«, zischte Seán.
»Na ja, wie sollen wir reagieren? Meinst du, dass sie wieder nach Hause kommen soll? Sie schreiben ja, dass es ihr besser geht.« Ihre Stimme zitterte, und sie fragte sich, warum ihr Bruder sie so nervös machte.
Seán starrte seine Schwester an. Natürlich hätte sie das Mädchen am liebsten zu Hause, sie fehlte ihr, und sie hatte es aus lauter Kummer nicht einmal fertiggebracht, sie in der Anstalt zu besuchen. Zweimal war die dumme Gans nach Dublin gefahren und jedes Mal nur bis zum Klinikeingang gekommen. Anfangs hatte auch Seán, genau wie Kate, es kaum ertragen, Tess dort in der Anstalt zu wissen, allein und verängstigt. Aber da wusste er noch nicht, dass Tess die Hofeigentümerin war und nicht er, dass ihr das Haus, in dem er wohnte, genauso gehörte wie der Stuhl, auf dem er saß. Seáns Mitgefühl für seine kleine Schwester wich Stück für Stück seiner Abneigung, und er wollte sie keinen Tag früher im Haus haben als unbedingt nötig.
Er rieb sich die Hände und schaute hinaus auf den Hinterhof. Sobald sein Kater sich etwas verzogen hatte, wollte er sich um das Vieh kümmern. Dann fuhr er sich mit den Händen über das unrasierte Gesicht. Mit seinen ungepflegten Haaren und den verquollenen Augen, die er seinen täglichen Besuchen im Pub zu verdanken hatte, war er nicht in der Stimmung für Kates Nörgeleien.
»Kommt nicht in Frage, Kate, noch nicht«, polterte er und hoffte seine Schwester, die einem Streit gerne aus dem Wege ging, einzuschüchtern.
»Aber … Seán … sie ist …«
»Nein, Kate, und das ist mein letztes Wort.«
»Aber warum, Seán? Was hast du denn gegen sie? Sie ist doch noch ein Kind.« Tränen traten ihr in die Augen, und sie senkte die Stimme, damit Ben nicht anfing zu schreien.
»Ihr geht’s doch wunderbar da, Kate. Die kümmern sich um sie. War ja auch nötig nach allem, was sie angerichtet hat.«
»Aber da steht doch, dass sie …«
»Schluss jetzt, Kate!«, brüllte er, bevor er die Hintertür aufriss und sie hinter sich ins Schloss fallen ließ, dass Ben auf seinem Stuhl zusammenfuhr und anfing zu weinen.
Kate warf einen Blick auf den Brief von Dr. Cosgrove. Was mochte er wohl von ihnen denken, was mochte er von ihr denken? Vielleicht sollte sie ihm einen Brief schreiben und ihm die ganze Situation erklären, die Situation mit Seán.
Nachdem sie Ben beruhigt hatte, ließ sie sich wieder auf ihren Stuhl neben dem Feuer sinken und weinte stumm, während die Flammen langsam verloschen.
Kapitel 34
1976
Z wei weitere Jahre gingen ins Land. Tess gewöhnte sich an das Leben in der Anstalt und fügte sich ein. Sie rechnete nicht mehr damit, dass ihre Angehörigen sie wieder abholten, aber wenn sie doch noch kommen sollten, dann hatte ihr gutes Betragen - dass sie nämlich niemanden mehr gebissen hatte - sie dreitausendeinhundertundachtundsechzig Schritte näher an ihr Zuhause gebracht. Das hatte sie sich ausgerechnet. Aber Tess hatte keine Ahnung, wie weit sie dadurch wirklich gekommen war, da ihr niemand sagen konnte, wie viele Schritte es von hier aus bis nach Árd Glen waren, nicht einmal Leroy, dessen Mutter ihn nie wieder abgeholt hatte und der zu ihrem
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