Das Mädchen mit den Teufelsaugen
durch meine Fragen herbeigeführt.»
«Ein Scherz, mein Lieber, nur ein Scherz. Obwohl, im Kern steckt doch ein Stückchen Wahrheit. Nun, wir waren bei unseren Gesprächen kurz davor, die Existenz Gottes in Zweifel zu ziehen. Überdies tat sich der Gedanke auf, dass Gott und Teufel nur zwei Seiten derselben Münze sind. Einige der Brüder hat das sehr empört. Sie mögen nicht lassen von Gott, brauchen ihn wie das Kleinkind die Mutter. Ihr in Italien seid da weiter als wir. Bei euch sind die Philosophen an Gottes Stelle gerückt.» Der Ratsherr zuckte mit den Achseln. «Wir mussten die Bruderschaft auflösen, um nicht noch mehr seltsame Gerüchte in Umlauf zu bringen. Ein falsches Wort an den falschen Mann hätte üble Folgen haben können. Ihr versteht?»
Matteo nickte, obwohl er nicht alles verstand, was der Ratsherr da sprach. Ihm hatten die Gespräche Freude gemacht, er hatte sich an den Argumenten berauscht. Für ihn war es ein Spiel gewesen. Sein Glaube war davon unberührt geblieben. Es war nicht anders als Mathematik. Eine Rechnung wurde gestellt, die Zahlen nachvollziehbar aufgegliedert, trotzdem hatte Matteo nur in den seltensten Fällen Lust, diese Rechnung auch zu bezahlen. Gleichwohl tat er es trotzdem.
«Und nun?», fragte er. «Wie geht es weiter?»
Der Ratsherr hob die Schultern. «Gleichgesinnte finden einander überall. Ich unterhalte jeden Sonntagabend eine kleine Gesprächsrunde. Nichts Geheimes, keine Zeichen, keine Umhänge, alles ganz zwanglos. Es würde mich freuen, Euch auch einmal dabei begrüßen zu dürfen. Über alles andere macht Euch keine Sorgen. Die Malerei, die muss einem im Blute liegen; die Hand ist nur ihr Werkzeug.»
Matteo hatte den Ausführungen des Ratsherrn mit gesenktem Kopf und hängenden Schultern gelauscht. Für ihn war die Welt zusammengebrochen. Er hatte seine Hand verloren und damit seinen Beruf, sein Weib war weg, die Bruderschaft zerfallen, und der Ratsherr stand vor ihm und tat, als gäbe es für alles eine Lösung, als wäre sein ganzes Leid nur etwas Vorübergehendes.
Und jetzt schlug er ihm gar noch auf die Schulter. «An Aufträgen wird es Euch nicht mangeln. Eure Geldlade wird stets gut gefüllt sein. Jetzt müsst Ihr Euch nur noch zurückholen, was Ihr verloren habt. Wartet nicht zu langedamit.» Ein bäriges Lachen noch, dann war der Dittmann verschwunden, mit ihm das Bild, das Letzte, was noch von Rosamund hier gewesen war, und Matteo stand allein in seiner Werkstatt.
Siebenunddreißigstes Kapitel
Rosamund machte sich zeitig auf die Wanderschaft. Sie verließ Mörlen, warf einen Blick zurück auf das Flüsschen Usa. Ein dicker bläulichgrauer Nebelteppich bedeckte die Wiesen. Hier und da ragte ein Pferdekopf hervor. Rosamund hörte kurzes scharfes Schnauben, ein Aufwiehern. Ein Hengst stieg mit den Vorderhufen aus dem Nebel. Anderswo ragten zwei Pferdeköpfe hervor, rieben zärtlich die Hälse aneinander.
Rosamund zog den Umhang fester um sich, schritt schneller aus. Der Weg vor ihr verlor sich nach einem kurzen Stück im Nebel. Manchmal schälte sich ein Baum am Wegesrand aus dem Nebel, winkte mit kahlem, tropfendem Geäst. Dann tauchte ein Reiter vor ihr auf wie eine Traumgestalt, verschwand hinter ihr nach kurzem Gruß.
Gegen Mittag, der Nebel hatte die Landschaft noch immer in ein graues Tuch gehüllt, kam sie in Butzbach an, trank auf einem Bauernhof einen Becher Milch, erbat ein Brotstück, aß frischen Käse dazu.
Der Bauer, ein leutseliger Mann, der allein auf dem Hof lebte, nahm sie auf seinem Fuhrwerk mit nach Gießen. Unterwegs erzählte er von seinem Leben, von seiner Frauund den sieben Kindern, von denen der Herrgott vier schon im Säuglingsalter wieder zu sich geholt hatte. Die restlichen drei hatten den Hof verlassen. Die älteste Tochter war in Kassel in den Dienst einer Patrizierin getreten, um sich ihre Aussteuer zusammenzusparen. Der Sohn war in einem hessischen Regiment, half mit, das Land von Luthers Lehre zu überzeugen. Die jüngste Tochter aber war mit einem Landsknecht auf und davon gegangen.
Der Mann hatte Tränen in den Augen, als er davon sprach.
«Sie wird wiederkommen», beteuerte er. «Vielleicht mit ein paar Bälgern, die keinen Vater kennen, doch das ist mir gleich. Als Witwe werde ich sie ausgeben und wieder in mein Herz schließen, denn immerhin ist sie mein Fleisch und mein Blut.»
Am Abend waren sie in Gießen. Während der Mann in einer Schänke für Fuhrleute unterkam, bereitete sich Rosamund ein Lager aus
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