Das Mädchen mit den Teufelsaugen
«Ich habe gerade frischen Apfelkuchen aus dem Rohr geholt. Der wird Euch schmecken an einem Tag wie heute.»
Rosamund war verblüfft ob der Freundlichkeit der Frau.
Die hatte ihr die Bildchen schon aus der Hand genommen.
«Ihr seid die, deren Mann seine Hand verloren hat, nicht wahr?»
«Woher wisst Ihr das?»
Die Frau lachte. «In unserem Dorf verbreiten sich die Nachrichten schneller als Staub bei Sturm. Der alte Mann mit dem Krückstock; er ist mein Onkel. Einen Jungen hat er mit der Nachricht von Euch geschickt. Und nun setzt Euch und lasst es Euch schmecken.»
Rosamund setzte sich zögernd. «Dann wisst Ihr auch, dass ich nichts bezahlen kann?», fragte sie.
Die Haushälterin winkte ab. «Eure Bildchen, das ist mehr Bezahlung als genug. Ihr gebt sie doch her, nicht wahr?»
Rosamund nickte, den Mund voller Apfelkuchen.
Mit Freude betrachtete die Frau das Bildnis der heiligen Anna. «Ja, so habe ich sie mir vorgestellt, unsere liebeFrau. Ganz genauso habe ich sie in meinen Träumen gesehen.»
Rosamund wunderte sich. «Aber ihr Gesicht. Seht Ihr nicht, dass die Nase ein bisschen schief ist?»
«Wer von uns ist schon vollkommen? Tröstlich ist es, dass selbst die Heiligen schiefe Nasen haben. Gott hat den Menschen nach seinem Bild geschaffen. Also. Der eine schielt, der andere nuschelt, der dritte hat einen Buckel, und die hier hat eben eine schiefe Nase. Mir gefällt das Bild. Ich nehme es. Ist ein Abendmahl und ein Bett in einer Kammer zu wenig dafür?»
Die Frau wirkte zum ersten Mal unsicher.
«Aber nein, ganz und gar nicht. Allein Euer Apfelkuchen ist genug, um das Bildchen aufzuwiegen.»
«Das sagt mein Pfarrer auch immer», lachte die Haushälterin. «Eine Sünde nennt er meine Kuchen, aber eine lässliche eben. Wo hat Euer Mann gelernt, so zu malen?»
Rosamund seufzte. «Im Italienischen, hinter den Alpen. Von dort stammt er auch.»
Die Haushälterin nickte ehrfurchtsvoll.
«Wenn Ihr wollt, dann zeige ich Euch jetzt Eure Kammer. Zum Abendessen rufe ich Euch.»
Da spürte Rosamund ihre Müdigkeit. In der Kammer zog sie ihre Schuhe aus, ließ sich auf das Bett fallen, ein einfacher Strohsack nur mit einem Überzug, und war eingeschlafen, noch bevor die Haushälterin wieder zurück in ihrer Küche war.
Sechsunddreißigstes Kapitel
Matteo hatte noch lange in der Werkstatt vor dem Bildnis der Dittmännin gesessen. Sogar den Gesellen hatte er gefragt: «Dietrich, wie findest du es?»
Dietrich hatte gezögert, aber sich dann doch ein Herz gefasst. «Sie malt das Innere des Menschen, Meister. Und Ihr das Äußere.»
«Ist das so?», hatte Matteo entgegnet und weiter auf das Porträt gestarrt.
«Ja, Meister. Ich denke, so ist es.»
Dann war Dietrich gegangen, um vom Nachbarn einen Eimer Pferdepisse zu holen, denn die weiße Farbe war knapp geworden. Als er wiederkam, saß Matteo noch immer auf dem Schemel. «Ich glaube, Dietrich, es ist an der Zeit, dass ich wieder male», sagte er.
«Mit der Hand? Wie soll das gehen?» Dietrich hatte vorsichtig gesprochen, doch Matteo verzog die Mundwinkel nach oben. «Habe ich nicht zwei Hände, Dietrich?»
«Ja, Herr. Natürlich habt Ihr das.»
«Also werde ich von nun an lernen, mit links zu malen.»
Dietrich machte große Augen und nickte sehr langsam, doch er sah, dass es dem Meister ernst war.
«Wir haben noch Aufträge. Sagt mir, welche Farben Ihr benötigt, dann werde ich sie anrichten.»
«Nein, Dietrich, noch keine neuen Farben. Nur alte Reste, mit etwas Leinöl geschmeidig gemacht. Ich bin weniger als ein Lehrjunge mit der linken, muss erst üben.»
Wenig später tunkte Matteo den Pinsel in alte Farbe, versuchte sich an Kreisen mit der linken Hand. Die ersten gelangen zittrig und glichen eher einem Ei; Matteo musste sogar den Handrücken aufstützen, um den Pinsel bewegen zu können. Doch nach dem ersten Dutzend wurde es besser, die Kreise runder, der Pinsel saß fester in der Hand. Nach zwei Stunden war Matteos Hemd nass geschwitzt. Dennoch war er bester Laune.
«Ich werde wieder ein Maler sein, Dietrich», sagte er. «Ich werde es lernen. Und auch alles andere, was mir wichtig war, werde ich mir zurückerobern.»
Wieder nickte Dietrich sehr langsam, wagte kaum, den Mund zu öffnen, tat es aber doch: «Und die Meisterin?», fragte er leise.
Matteo sah ihn aus zusammengekniffenen Augen an und erwiderte nichts.
Am Abend wanderte er über die Heide nach Bornheim. Obwohl die Glocken noch nicht die siebte Abendstunde eingeläutet hatten,
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