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Das Mädchen mit den Teufelsaugen

Das Mädchen mit den Teufelsaugen

Titel: Das Mädchen mit den Teufelsaugen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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Heu auf dem Fuhrwerk. Sie schlief schlecht in dieser Nacht, schrak mehrmals hoch, klapperte vor Kälte mit den Zähnen, spürte, wie die Nässe ihre Kleider durchdrang.
    Sie ließ ein Bildchen im Wagen zurück und machte sich auf den Weg, sobald der Horizont von einem Silberstreif erhellt wurde.
    Der Nebel hatte sich verzogen, nur der Fluss Lahn, an dessen Ufern sie entlangging, dampfte, als würde darin gekocht. Nach ein paar Stunden brach die Sonne durch die Bäume, ließ silberne Tropfen auf den schwarzen Ästen glitzern.
    In Lollar war Markt. Rosamund ermalte sich eine Schüssel aus der Garküche, lief weiter. Am Abend erreichte sie das Dörfchen Fronhausen, machte jedoch vorher halt und setzte sich unter einen Baum am Fluss. Sie war müde und schmutzig. Die Füße taten ihr weh, in ihrem linken Schuh klaffte ein Loch. Ihr blaues Kleid, dem die Haus- und Werkstattarbeit in Frankfurt nichts anhaben konnte, hing jetzt wie ein Lumpen an ihr. An einigen Stellen war der Saum heruntergetreten, das Kleid selbst bis zu den Hüften hinauf mit Lehm und Dreck bespritzt.
    Ihr Haar war strähnig, ihre Arme und Beine waren von einer Staubschicht bedeckt. Rosamund fühlte sich so schmutzig, dass sie sich nicht mehr unter die Leute wagte.
    Als die Dämmerung die Schatten überdeckte, legte sie ihr Kleid ab und stieg in den Fluss. Das Wasser war so kalt, dass es ihr für einen Augenblick den Atem nahm, doch Rosamund hielt der Kälte stand, tauchte sogar den Kopf unter Wasser, reinigte Haar und Körper. Lieber fror sie sich blau, als sich noch länger schmutzig zu fühlen.
    Mit klappernden Zähnen erklomm sie das Ufer, hüllte sich fest in ihren Umhang und versuchte, den Schmutz aus dem Kleidersaum zu rubbeln. Sie war ganz vertieft in ihre Arbeit, dachte an zu Hause, an die Wäscherinnen am Main und an deren Gesänge. Ohne dass sie es merkte, fing sie an zu singen, Waschfrauenlieder, die sie schon als Kind gehört hatte. Dabei rubbelte sie ihr Kleid, bis ihr ganz warm wurde.
    Die Dämmerung war der Dunkelheit gewichen, dochder Mond schien so hell, dass Rosamund alles ringsum gut erkennen konnte.
    Hinter sich hörte sie Geräusche, doch sie wandte sich nicht um. Die Tiere, dachte sie, wollen hinunter zum Fluss, um zu trinken.
    Als sich eine Hand auf ihre Schulter legte, schrie Rosamund auf. Sie wollte sich umdrehen, doch schon presste sich eine Hand auf ihren Mund.
    Sie roch herben Schweiß, fühlte die raue Männerhand.
    «Na, meine Schöne», raunte eine Stimme neben ihrem Ohr. Warme Schwaden biersauren Atems streiften ihr Gesicht.
    «Wer nachts nackt und allein im Fluss badet, der sucht nach jemandem, der ihm den Rücken schrubbt.»
    Die harte Männerhand löste sich von ihrem Mund, fuhr grob über ihren Hals bis hinunter zu Rosamunds Brüsten.
    Da erwachte sie aus ihrer Erstarrung, riss den Kopf herum, funkelte den Mann an. «Wer nachts allein nach Mädchen sucht, der ist des Teufels», sagte sie streng und starrte dem Mann ins Gesicht. Der schüttelte kurz den Kopf, herrschte sie an: «Schau weg, Dirne!»
    «O nein, ich schaue nicht weg. Seht mich nur an. Könnt Ihr meine Augen gut erkennen? Das eine ist dunkel wie die Hölle, das andere blau wie der Sommerhimmel.»
    Rosamund dachte nichts in diesem Augenblick, fühlte nichts, nicht einmal Angst. Ihre Sinne waren so geschärft, dass sie alles um sich herum in übergroßer Deutlichkeitwahrnahm. Den Adamsapfel des Mannes, der hektisch auf und ab hüpfte, den schwarzen Zahn in seinem Maul, die Speichelreste in seinen Mundwinkeln.
    «Seht hin!», befahl sie. «Los! Macht schon! Oder habt Ihr Angst vor dem Teufel?»
    Der Mann holte aus, wollte ihr eine Maulschelle versetzen, doch Rosamund rief: «Halt! Der Teufel wird nicht geschlagen, denn er schlägt zurück mit doppelter Kraft.»
    Da beugte sich der Mann ein wenig zu ihr herunter, stierte in ihre Augen, fuhr zurück, wischte die Hände an den Hosenbeinen ab, stotterte: «Ihr seid wahrhaftig der Teufel, habt wahrhaftig zwei verschiedene Augen.»
    Er begann zu schlottern, seine Hände zitterten, als er sie abwehrend hob. «Es war ein Versehen, ich bitte untertänigst um Vergebung. Lasst mich laufen, ich wollte Euch nichts tun. Nur ein bisschen erschrecken, versteht Ihr. Ein Spaß.»
    Rosamund ließ den Mann nicht aus den Augen, wies mit der ausgestreckten Hand auf das Dorf. «Geht!», befahl sie.
    Der Mann nickte eifrig, sein Adamsapfel hüpfte, Speichel tropfte von seinen Lippen, aber er stand wie Lots Frau.
    «Habt Ihr nicht

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