Das Mädchen mit den Teufelsaugen
sicher?»
Lisbeth und Ursula zuckten mit den Schultern.
«Ja, dann will ich mal wieder gehen», sprach der Ansgar. «Sowieso bin ich ein Gewandschneider. Was soll mir da eine Weißbinderwerkstatt.»
«Halt!», rief Lisbeth. «Wollt Ihr nicht über die Mitgift reden?»
Der Gewandschneider winkte ab. «Verlohnen muss sich eine Ehe schon. Aber was nützt mir eine hohe Mitgift, wenn ich mich lebenslang mit einer rumschlagen muss, die sich feiner dünkt, als sie ist? Wir waren immer ehrliche und anständige Leute, die von ihrer Hände Arbeit leben. So will es der Brauch bei uns, so will ich es auch halten. Lebt wohl und Gottes Segen.» Er stülpte sich das Barett auf den Kopf, verneigte sich kurz und ward nie mehr gesehen.
Die Mutter und die Ursula zuckten mit den Achseln. «Er versteht nichts von der feinen Art. Ein Bauer ist er und wird es bleiben.»
Damit war die Bewerbung abgetan, und das Urselchen suchte weiter, warf ihre Blicke wie Fastnachtskonfekt auf die jungen Männer der Stadt. Zuerst auf die Kleidung, auf den Schmuck und zuletzt auf den Menschen.
Die Mutter feuerte sie an dabei, während der Vater die Hände rang.
Auch bei Tisch drehte sich alles um das Urselchen. «Hat der Zuckerbäckererbe aus der Nachbargasse mir zugeblinzelt?», wollte sie von der Mutter wissen.
Lisbeth nickte und strahlte.
«Hast du gesehen, dass mir der Handschuhmacher eine grüne Samtbordüre genäht hat? Er sagte, keiner stünde diese Farbe besser als mir.»
Lisbeth nickte und strahlte.
«Ach, und letzte Woche warf mir ein Gaukler eine Blume zu. Geleuchtet hat er schier, der arme Tropf, als ich sie mir ins Mieder steckte. Und vorhin erst, ich kam gerade von der Perlenstickerin, da traf ich den Patrizier Hohenhausen. Oh, wie ehrerbietig er mich gegrüßt hat! Ich glaube, es fehlt ihm nur noch ein wenig an Mut, bevor er hier anklopft.»
Lisbeth nickte und strahlte. Beifallheischend sah sie zum Vater und zu Rosamund. «Unser Urselchen, sie wird ihren Weg gehen, schön und liebreizend, wie sie ist. Eine gute Partie wird sie machen und es viel weiter bringen als ich.»
«Hat sonst noch wer den Brautwerber geschickt?», fragte Rosamund und biss herzhaft in ihr Brot. «Ich meine, hat noch jemand außer dem Ansgar Tucher um ihre Hand angehalten?»
Das Urselchen verzog den Mund. «Mein Gott, diese Krümelei! Du isst wie eine Bäuerin. Mit spitzen Lippen nimmt man einen kleinen Bissen und haut nicht die Zähne in den Brotlaib.»
«Lass sie», bremste der Vater. «Sie hat den ganzen Taggut gearbeitet. Und wer gut arbeitet, der soll auch gut essen.»
Das Urselchen rümpfte die Nase. «Ja, schon, aber doch nicht wie eine Wutz. Das ziemt sich nicht.»
«Hat sonst noch jemand gefreit um dich?», wiederholte Rosamund und wischte sich verstohlen die Krümel vom Kleid.
Der Vater schüttelte den Kopf. «Bei mir ist niemand vorstellig geworden, wenngleich die ganze Stadt weiß, dass sie mannbar ist.»
Die Mutter griff nach Urselchens Hand. «Das ist auch gut so. Sie würde sich sowieso nicht an den Erstbesten wegschmeißen. Die Guten, die lassen sich Zeit.» Mit dem Finger zeigte die Mutter auf Rosamund. «Der da bringt es nur Vorteile, wenn keiner kommt.»
Ursula verzog das Gesicht. «Aber merkwürdig ist es doch. Die Lotte vom Buchbinder hatte schon drei Bewerber, obgleich sie jünger ist als ich. Und bei der Dettmering Jule waren auch schon zwei, hässlich, wie die ist. Vielleicht liegt es doch an der da, dass außer dem Tucher noch niemand gekommen ist.» Jetzt zeigte auch das Urselchen mit dem Finger auf Rosamund. «Wenn bis Weihnachten noch immer kein weiterer da war, dann muss die weg.»
Rosamund seufzte und dachte an Matteo. Er hatte recht gehabt, das Urselchen war nicht liebreizend und freundlich genug. An jedem hatte sie etwas auszusetzen, sodass es keiner mehr wagte, um ihre Hand zu bitten. Der Tucher wird in den Schänken erzählt haben, wie sie ihnhier behandelt hat. Aber die Schuld daran gibt sie mir. Dem Mädchen mit den Teufelsaugen.
Ein scheeles Lächeln zog sich über Lisbeths Gesicht. Freundlich, viel freundlicher als gewöhnlich, griff sie nach Rosamunds Hand. «Sag, wie denkst du dir deine Zukunft? Willst du ewig bei uns bleiben?»
«Wenn’s dem Vater recht ist, gern. Ich arbeite in der Werkstatt, mühe mich, so gut ich kann. Wenn der Dietrich einmal nicht mehr ist, kann ich ohne Aufhebens seine Arbeit übernehmen.»
«Und liegst uns trotzdem auf der Tasche.» Die Freundlichkeit war aus Lisbeths Gesicht
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