Das Mädchen mit den Teufelsaugen
dann nur lauter Sachen, die nicht recht sein können.»
«Wollt Ihr sie mir trotzdem sagen?»
Rosamund schüttelte den Kopf.
«Soll ich Euch sagen, was Ihr nicht auszusprechen wagt?»
Rosamund schwieg.
Matteo sagte: «Es gibt nur einen, dem der Teufel von Nutzen ist, und das ist Gott. Wenn es den Teufel nicht gäbe, so gäbe es keine Sünde und keine Schuld. Der Mensch wäre noch gottgleicher. Aber der Herr schuf uns nur nach seinem Abbild. Er musste den Teufel erschaffen, damit wir ihm, dem Herrgott, nicht gleichen, nicht zu nahe kommen. Ohne den Teufel braucht der Mensch keinen Gott. Das, was er geschaffen hat, wäre auch ohne ihn vollständig. Und also hat er Eure Augen geschaffen. Ganz gleich, ob als Gott oder Teufel. So ist das nämlich mit den Menschen: In einem jeden von uns steckt von beiden etwas. Dort, wo ich herkomme, aus Florenz, da gab es einen Mann, der Philosoph war und Pico della Mirandola hieß. Ein kluger Mann, sehr klug. Der sagte, der Mensch könne selbst entscheiden, ob er gottgleich sein wolle oder zum Tier entarten.»
«In Italien ist es wohl Mode derzeit, sich dem Herrn zu widersetzen. Hier in Frankfurt sind wir es gewohnt, dem Herrn zu gehorchen und zu dienen.»
«Glaubt Ihr denn, Ihr dient ihm mit nur einem Auge? Fragt auch hier. Fragt: Wem nützt es, wenn ich mir das Auge aussteche?»
Rosamund schluckte. «Dem Urselchen nützt es. Die Männer werden sie freien wollen. Sie kann unter die Haube. Der Mutter mag es auch nützen. Sie muss sich nicht mehr schämen für mich. Aber dem Vater? In der Werkstatt wäre ich nicht mehr von Nutzen. Zwei Augen braucht man da, und am besten noch ein drittes am Hinterkopf.»
«Und Euch? Nützt oder schadet es Euch, wenn Ihr die Hand an Euch legt?»
Rosamund verzog den Mund. «Ich weiß nicht recht. Auf die Straße könnte ich wieder, zum Fastnachtsspiel und zum Maientanz. Aber wer tanzt schon mit einer Einäugigen? Malen kann ich nicht mehr. Heiraten schon. Einen, der auch was an sich hat. Einen krummen Buckel oder einen Hinkefuß.»
«Was möchtet Ihr lieber? Malen oder einen Hinkefuß zum Manne?»
Rosamund lachte auf. «Es gibt sicher freundliche und gottesfürchtige Hinkefüße. Dafür fürchte ich mich nicht. Aber malen möchte ich schon auch. Und wenn’s nur im Geheimen wäre.»
Der Mann streckte Rosamund seine Hand hin. «Schlagt ein, Jungfer. So soll es geschehen. Ihr sollt malen. Und einer, der einen Makel hat, der wird sich bestimmt leicht finden.»
Rosamund hob die Hand, doch dann hielt sie sie in der Luft. «Und das Urselchen? Wenn ich bleibe, wie ich bin, dann hat sie das Nachsehen. Keiner wird sie wollen.»
Matteo zuckte mit den Achseln. «Dann wird sie sich eben mehr anstrengen müssen. Sie muss bezaubernd undliebreizend sein, sodass den Männern gleichgültig ist, ob da noch eine Schwester mit Teufelsaugen in der Kammer hockt. Hat sie kein freundliches Wesen, so wird über kurz oder lang ohnehin der Kummer kommen.»
«Ich bin also nicht schuld, wenn das Urselchen kein Glück findet?»
«Nein. Jeder liegt, wie er sich bettet.»
Rosamund lächelte zaghaft. «Aber das Urselchen und die Mutter, die werden weiter sagen, dass alles Unglück von mir kommt.»
«Daran werdet Ihr nichts ändern können. Auch nicht, indem Ihr Euch ein Auge ausstecht.»
«Nicht?»
«Nein. Ganz sicher nicht. Sie haben nicht gelernt, dass ein jeder selbst seines Glückes Schmied ist. Wenn etwas misslingt, werden sie ihr Leben lang die Schuld bei anderen suchen. Vielleicht wird es nicht mehr Euer Teufelsauge sein, aber dann ist es eben etwas anderes.»
«Dass eine Zigeunerin mich gesäugt hat.»
«Ja, vielleicht. Oder dass das Ausstechen nicht geholfen hat. Oder weil das Mondlicht nicht im richtigen Winkel in die Kammer scheint oder weil eine schwarze Katze die Straße gekreuzt hat. Oder, oder, oder. Der Mensch ist erfinderisch, wenn es darum geht, sich aus der Verantwortung zu stehlen.»
Rosamund fand, dass die Worte des Mannes logisch klangen.
«Und was soll ich jetzt tun?», fragte sie.
Der Mann hob die Schultern. «Woher soll ich das wissen?Ihr seid jung, Euch stehen alle Wege offen. Ihr müsst Euch fragen, Euer Herz befragen, was Ihr wollt und wie Ihr leben möchtet. Kümmert Euch um Euch selbst. Ein anderer wird das nicht tun.»
Er sah sie mit seinen freundlichen Grauaugen an. «Womöglich möchtet Ihr heiraten und Kinder bekommen, vielleicht aber wollt Ihr auch dem Euren später in der Werkstatt helfen, vielleicht aber kommt alles ganz
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