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Das Mädchen und das schwarze Einhorn

Das Mädchen und das schwarze Einhorn

Titel: Das Mädchen und das schwarze Einhorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanith Lee
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Boden.
    »Nicht gut«, sagte das Piefel. »Kein Knochen.«
    »Es ist der Schädel«, belehrte es Tanaquil. Sie hielt den Schädel in den Händen und war erstaunt, selbst nach dem, was sie bereits gesehen hatte.
    Es war ein Pferdeschädel oder einem solchen zumindest sehr ähnlich, und es glomm wie ein Opal, noch glänzender als die anderen Knochen. Durch das kristalline Material flimmerten Farben, feurig und klar. Sie stellte sich das Hirn vor, das in diesem Käfig gesteckt, von solchen Farben gelebt oder diese hervor gerufen haben mochte. Die Zähne, von einem silbrigen Weiß, waren noch alle vorhanden. Ein Knochenwulst wölbte sich auf der Vorderseite des Schädels, oberhalb der Augenhöhlen - Schichten von Opal -, eingekerbt wie eine dritte Höhle, die irgendein kostbares Juwel umfassen sollte.
    Tanaquil blickte um sich. Sie war von den Knochen umgeben. Das Piefel buddelte immer noch emsig weiter, katapultierte Sandfontänen in die Luft und verschwand immer tiefer in dem Loch.
    »Ich glaube, das war's«, stellte Tanaquil fest. »Es ist fast vollständig.« »Mehr«, verlangte das Piefel. »Laß uns nun zurückgehen.« Das Piefel strampelte, der Sand gab nach. Das Tier fiel nur einen Fuß tief, doch Tanaquil beugte sich in das Loch hinunter und ergriff es. Es kam ärgerlich niesend und mit allen vieren in die Luft kickend zum Vorschein.
    »Will graben.«
    »Nein, das reicht jetzt.«
    »Graben, graben.«
    »Wir sollten die Knochen in mein Zimmer bringen. Dort sind sie in Sicherheit. Du kannst bei mir bleiben. Das wirst du doch bestimmt mögen. Ich besorge dir ein Stück wunderbaren Speck.«
    Das Piefel schien seine Optionen zu durchdenken. Es setzte sich auf sein Hinterteil nieder, putzte sich und ließ das Loch Loch sein.
    Tanaquil begann damit, die Knochen einzusammeln. Sie wickelte sich den Schal vom Kopf und schlug mehrere Knochen darin ein, pfropfte Knochen in ihre Stiefelstulpen und Manteltaschen. Mit dem Brustkorb verhielt es sich schwieriger. Irgendwie gelang es ihr, sich das Teil auf den Rücken zu wuchten. Schließlich ergriff sie den opalenen Schädel und klemmte ihn sich unter den noch freien Arm. «Du nimmst diese da.« Tanaquil deutete auf die letzten schlanken Wirbelknochen, die sie nicht mehr verstaut bekommen hatte. Das Piefel nahm sie ins Maul. Es stand weit offen, glänzte. Angenommen, jemand entdeckte sie? Im allgemeinen war es durchaus möglich, daß die Festung am späten Nachmittag ziemlich verlassen war. Soldaten und Dienerschaft dösten, und Jaive, unempfindlich gegen die Hitze, wirbelte durch ihr Zauberreich. Tanaquil konnte nur hoffen, daß sich alle Burgbewohner an ihren üblichen Tagesablauf hielten. Sie hatte keine Lust, ihre Entdeckung mit jemandem zu teilen. Obwohl sie die Burg nicht verlassen konnte, hatte sie doch eine vorübergehende Fluchtmöglichkeit gefunden — denn die Knochen dieses magischen Wesens bewirkten, daß sie sich eine Zeitlang selbst vergaß. Was zählte schon im Vergleich zu ihnen?
    Die volle Wucht des Sonnenlichts traf sie, als sie den Schatten des Brückenbergs verließen, doch die Sonne sank schon westwärts dem Horizont entgegen, und der Himmel war trübe und golden.
    Lange Schatten vor sich her werfend, kehrten Tanaquil und das Piefel zu der Festung zurück.
    Tanaquil erzählte dem Piefel von Speck und geröstetem Braten und anderen Köstlichkeiten, die sie ihm zu verschaffen gedachte. Es hielt Schritt mit ihr, sagte jedoch nichts, das Maul mit Magie gestopft.
    Das Piefel legte sich ein Lager unter Tanaquils Bett an. Es knüllte ihren Bettvorleger zusammen und stopfte ihn unters Bett, nicht ohne sich auch noch ein Kissen zu stibitzen. Federn quollen aus dem zerfetzten Kissen heraus und verteilten sich auf dem gesamten Fußboden.
    Während sie die Knochen am anderen Ende des Zimmers auf dem Boden ausbreitete, hörte sie das Piefel schnüffeln, sich beschweren und unruhig herumzappeln. Es hatte den ranzigen Speck vom Fensterbrett gegessen, und sie hatte ihm zusätzlich noch frischen aus der Küche besorgt, wo zwei einsame Putzjungen auf einem kalten Steinofen schnarchten. Von Zeit zu Zeit tauchte das Piefel an ihrer Seite auf und beobachtete, was sie mit den Knochen anstellte. »Bitte, bring sie mir nicht durcheinander«, warnte Tanaquil. Ihr wurde klar, daß es besser wäre, das Skelett freischwebend aufzuhängen, vielleicht von einem Deckenbalken herunter; sie öffnete ihren Werkzeugkasten und maß gleichlange Stückchen an einer feinen Messingkette ab,

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