Das Mädchen und das schwarze Einhorn
gekommen.«
»In mein Versteck .«
»Ja, in dein Versteck. Was hast du da für eine Menge von diesen Knochen! Was für ein kluges Tier.«
Das Piefel hockte sich in dem Nest nieder und kratzte sich hinter den Ohren. »Stich«, erläuterte es. Es schien auf ihr Kompliment angesprungen zu sein. »Klug«, wiederholte es.
»Natürlich gehören sie dir . Aber vielleicht läßt du mich dir dabei helfen, sie zu finden - ich meine, gibt es noch - mehr?«
»Mehr. Viele.«
Ein kalter Schauer rann inmitten der Mittagshitze Tanaquils Rücken hinunter.
»Willst du sie mir zeigen? Darf ich dir helfen?«
Das Piefel senkte den Kopf und begutachtete den achten Knochen, den es gerade angeschleppt hatte. Keiner sagte etwas.
»Weißt du, die Raben könnten zurückkommen und es dir stehlen«, fuhr Tanaquil nach einer Weile fort.
Das Piefel schnellte den Kopf in die Höhe und suchte den Himmel ab; seine Schnurrhaare beschrieben kühne Suchkreise.
Tanaquil fühlte sich wie ein Bösewicht.
»Laß mich dir helfen«, wiederholte sie. Sie ging zu dem Piefel hinüber und streichelte ihm sanft über den Schädel. Das Piefel ließ es sich gefallen und betrachtete sie aus seinen Topasaugen. »Du bist ja soo klug . Was für ein wundervoller Knochen.«
Am Nachmittag, als die schlimmste Hitze sich gelegt hatte, gingen sie hinaus. Das Piefel war den ganzen restlichen Morgen hin und her gehastet. Nur ein einziges Mal hatte es eine kleine Pause eingelegt, um einen Schluck aus der Dachzisterne zu trinken. Zumindest schien das Piefel erfreut über ihre Gesellschaft zu sein. Es flitzte geschäftig umher, hetzte manchmal vor und tollte dann im Sand herum, bis Tanaquil es wieder eingeholt hatte. Sie wanderten in Richtung der Felshügel. Tanaquil akzeptierte diese Tatsache mit einem komischen Gefühl im Magen. Als der kleine Nachmittagsschatten der Felsen auf sie fiel und das Piefel unter den hohlen Hügel hüpfte, der wie eine Brücke geformt war, nickte Tanaquil nur. Der Hort dieser sagenhaften Knochen befand sich direkt unterhalb der Stelle, an der sie gebrütet hatte. Vielleicht hatte der Sandsturm vor einer Woche ihn freigelegt, vielleicht auch andere, verspielte Piefel.
Die dunkle Hitze unter dem Felsbogen war feierlich und purpurfarben. Auf der anderen Seite, am Rande des Berges, buddelte das Piefel und schickte Sandfontänen hoch in die Luft.
Tanaquil begab sich zu ihm, um nachzusehen.
Und dort befanden sich die Spitzen der Knochen, die wie kristalline Pflanzen in den Himmel ragten.
Sie gruben gemeinsam.
»Gut, gut«, keuchte das Piefel, wühlte seine . Schnauze in den Sand und beförderte - es war kein Zweifel möglich - einen vollständigen Brustkasten ans Tageslicht. Er war gewaltig, einschüchternd. Wie er im Schatten glänzte! »Sprr«, sagte das Piefel. Sie zogen den Rippenkasten aus dem Sand, und die Beinknochen folgten und zerfielen in einzelne, Juwelen-. artige Stückchen. Es ähnelte dem Beinknochen eines großen Hundes oder eines Pferdes.
»Gibt es auch einen Schädel?« wollte Tanaquil wissen.
Das Piefel achtete nicht auf sie, grub einfach weiter. Es hatte offensichtlich erkannt, daß es mit der Hilfe von Tanaquil beim Transport nun alle Knochen auf einmal freilegen konnte.
Ungefähr eine Stunde lang hatten sie in dem hohlen Felsen gearbeitet, als der Sand nachgab und in einen großen Kessel wegfloß. Einige der gerade ans Tageslicht beförderten Knochen wurden wieder in dem Sandrutsch begraben.
Das Piefel purzelte strampelnd herum. Tanaquil stieß einen der herzhaften Flüche aus, die die Soldaten so liebten.
Aller Wahrscheinlichkeit nach lagen die Knochen über einem Hohlraum im Sand. Sie mochten ebensogut unerreichbar für sie in einen verborgenen Abgrund stürzen. Außerdem konnte der Sand auch unter Tanaquil und dem Piefel nachgeben und sie in den Abgrund ziehen.
Tanaquil versuchte, dies dem Piefel begreiflich zu machen, aber es schenkte ihr keine Aufmerksamkeit und nahm seine Grabarbeiten wieder auf. Tanaquil zuckte die Schulter und vereinte dann ihre Anstrengungen mit denen des Tieres, jederzeit darauf vorbereitet, bei dem geringsten Anzeichen einer Erdbewegung das Piefel zu packen und zu flüchten.
Aber es gab keinen weiteren Sandrutsch, und nach und nach wurden die neuen Knochen sichtbar, Teile der Wirbelsäule und eines langgezogenen Halses: , Sternenblumen.
Und dann spürte Tanaquil eine glatte Masse an ihren grabenden und zerrenden Händen. Sie zog den Gegenstand hervor. Der Sand glitt von ihm zu
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