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Das Mädchen und das schwarze Einhorn

Das Mädchen und das schwarze Einhorn

Titel: Das Mädchen und das schwarze Einhorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanith Lee
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Er besaß die Größe eines Zimmers und einen niedrigen Eingang, eine Höhle, die ins Innere des Steins führte. Tanaquil und das Piefel drängten hinein. Es war zwar ein Unterstand, erschien indes nicht wärmer als die offene Fläche draußen. In einem Lichtbalken des westwärts wandernden Mondes begann Tanaquil Büsche und Blattnerven von Dornengewächsen auszumachen, die innerhalb des Felsens wuchsen. Ihr kam die verzweifelte Idee, daß sie Feuer machen könnte - wenn sie ihre Zunderbüchse bei sich gehabt hätte.
    Das Piefel würde schon in der Wüste überleben, schließlich war es ein Wüstentier. Es sei denn, es hätte durch das üppige Leben in der Festung seine Ursprünge vergessen.
    Als sie sich mit Blick auf den Höhleneingang setzte, kam das Piefel zu ihr und rollte sich in ihrem Schoß zusammen. Auf der Suche nach Wärme schmiegten sie sich eng aneinander.
    »Wenn die Soldaten meiner Mutter mich nicht finden ...«, setzte Tanaquil an. Sie fühlte sich erschöpft. Sie würde einschlafen und vermutlich nicht mehr aufwachen. Entschlossen fuhr sie fort: »Aber sie werden mich finden. Was für ein Dummkopf war ich doch.«
    »Bratensaft«, erklärte das Piefel scheinbar zusammenhanglos. Es schlief ein.
    »Wie hast du das mit den Knochen herausgefunden?« fragte Tanaquil. »Das Einhorn muß auch dich verzaubert haben. Muß dich dorthin getrieben haben, um sie auszugraben. Und ich habe sie repariert. Und Jaives magischer Strahl hat es wieder zum Leben erweckt. Und ... «
    Wenn ich nicht erfriere und den kommenden Morgen erlebe, dachte Tanaquil bei sich, werde ich bei lebendigem Leib von der Sonne geröstet werden.
    Nein, sie werden mich bei Tagesanbruch finden, oder ich werde zur Festung zurückfinden.
    Im Höhleneingang schimmerte das mondlichtbeschienene Eis auf.
    Ein heller Schatten fiel darüber.
    Tanaquil kniff das schlafende Piefel. Starr beobachtete sie, wie das Einhorn über die weißen Dünen, über die Stille, zum Höhlenmund hinunterstieg. Dort senkte es sein furchterregendes Haupt, und seine Augen, glühenden Kohlen gleich, flammten hinein und bohrten sich in die ihren.
    Vielleicht wird es mich töten. Dann brauche ich nicht mehr darauf warten, zu erfrieren oder zu verdorren.
    Tanaquils Zähne klapperten.
    Das Einhorn hob den Kopf. Nun konnte sie nur noch seinen Körper sehen, die harte, schlanke Windhundflanke seines Bauches, die langen, eleganten Beine. Es stampfte auf den Steinboden kurz hinter dem Höhleneingang. Ein silberner Funkenregen stob durch die Luft und den Türbogen herein. Sie kauerten sich schutzsuchend hinter einem Dornengestrüpp zusammen, das aus dem Höhlenboden wuchs. Einen Augenblick lang schien der Busch von silbrigen Insekten zu wimmeln. Und dann stiegen Rauchringe von ihm auf. Der Busch brannte.
    »Oh!« Tanaquil rollte das Piefel von ihrem Schoß herunter. Sie kroch auf ihren Knien durch die niedrige Höhle, brach Zweige von den anderen Dornengewächsen ab, um das Feuer zu speisen.
    Wie etwas, das sich zur Flucht wendet, verließ das Einhorn sie. Es verschwand, und nur der Mond schien noch auf den Schnee — und das heiße Feuer brannte auf dem Höhlenboden.
    Die Nacht über döste Tanaquil neben dem wundersamen Feuer, immer auf der Hut, es nicht ausbrennen zu lassen. Sparsam legte sie neue Zweige nach, während das Piefel sich bequem in einer Gewandfalte zusammengekuschelt hatte und den Bauch in die Wärme streckte.
    Nichts anderes näherte sich ihnen den Rest der Nacht über, und wenn es nicht das Feuer gegeben hätte, hätte Tanaquil das Einhorn gut für einen Traum halten können.
    Als der Himmel zu dämmern begann, verließ Tanaquil die Höhle, kratzte Schnee und Reif vom Gipfel der Dünen zusammen und stopfte sich das sandige Zeug in den Mund. Sie war zwar noch nicht durstig, aber wenn die Sonne erst einmal herausgekommen war, würde es sie schon bald dürsten. Das Piefel tat es ihr gleich, leckte die Flüssigkeit emsig ab und beglückwünschte sich dabei.
    Tanaquil riß ein Drittel ihres bestickten Rocks ab, so daß nur noch der leuchtendblaue Unterrock ihre Beine schützte. Sie bastelte sich aus dem Rest des Rocks eine Kopfbedeckung und wand sich einige der Stoffetzen um die Hände. Sie verfluchte ihre Schuhe.
    Als die Sonne stieg, wurde das Piefel mit einemmal putzmunter. Es hüpfte vor dem Höhleneingang auf und ab. »Gehn wir, gehn wir?«
    »Ja. Wir gehen jetzt und gucken, ob wir jemanden treffen.«
    Als sie sich auf den Weg machten, zeigte der Himmel noch eine

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