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Das Mädchen und das schwarze Einhorn

Das Mädchen und das schwarze Einhorn

Titel: Das Mädchen und das schwarze Einhorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanith Lee
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Rücken.
    Sie erhob sich. Sie würde wohl wieder mit dem Denken anfangen müssen.
    »Piefel, hör mir zu. Das ist eine Karawane - es ist wirklich eine. Natürlich ist das hier eine Oase. Sie ziehen vielleicht - nein, bestimmt - in die Stadt. Jetzt müssen wir klug sein. Kein Wort über meine Mutter -verständlicherweise mißtrauen sie der Zauberei.
    Und Piefel — sprich nicht!«
    »Was für Sprache?« sagte das Piefel. Es hatte den Palmenstamm bereits wieder zur Hälfte erklommen, um die näherkommende Karawane beobachten zu können.
    Tanaquil erwartete sie stehend, verwirrt und wie gelähmt, und hatte doch noch nie zuvor eine vergleichbare Hochstimmung verspürt. Denn diese Leute dort waren Fremde, und sie würden in die Stadt ziehen.
    »Einen schönen Abend, Mädchen«, rief ihr der Mann mit dem Stachelstock des Viehtreibers zu, der an der Seite des ersten beigefarbenen Kamels ging. »Was verkaufst du?«
    Tanaquil blinzelte. »Nichts.«
    Ihr kam der Gedanke, daß die Leute aus den Dörfern sich in einer Oase einfinden mochten, wenn eine Karawane vorbeikommen sollte, um den reisenden Händlern Nahrungsmittel zu verkaufen.
    »Warum lungerst du dann hier herum?«
    Tanaquil fühlte sich beleidigt. »Ich bin hier, um mich deiner Karawane anzuschließen. Ihr zieht doch in die Stadt, nehme ich an?«
    Der Mann warf den drei Reitern der nächsten Kamele einen Blick zu. Alle vier lachten. Es war kein freundliches Lachen, mehr eine Art Drohung.
    »Ja, wir ziehen in die Meerstadt. Du mußt den Karawanenführer fragen, ob du dich uns anschließen kannst. Wir nehmen aber kein Gesindel mit, mußt du wissen. Und es gibt da auch noch eine Gebühr. Kannst du die bezahlen?«
    Daran hatte Tanaquil nicht gedacht. Sie überlegte fieberhaft. Es brachte zwar nichts ein, mit einer Mutter anzugeben, die zaubern konnte. Aber auf freundliche Fürsorge von Fremden zu vertrauen, brachte genausowenig.
    »Ich bin aus dem Ort Um«, versetzte Tanaquil.
    »Nie davon gehört.«
    »Das haben nur wenige. Es ist ein sehr kleines Dorf. Ich habe darauf gespart, einen Karawanenplatz zu kaufen, aber auf dem Weg hierher wurde ich überfallen und beraubt. Sie haben mir alles genommen, mein Geld, meinen Esel. Ich habe die Oase nur mit Mühe erreicht. Und nun fürchte ich, daß ich mich eurer Hilfsbereitschaft anvertrauen muß.«
    Die Männer betrachteten sie. Sie war nur an die Soldaten gewöhnt, die ohnehin die meiste Zeit betrunken und unbeschwert waren und sie eigentlich mehr wie eine weise ältere Schwester behandelt hatten. Nun machte Tanaquil die Erfahrung, wie die meisten Männer in dieser Welt die meisten Frauen ansahen. Es irritierte sie, aber sie verbarg es. Bescheiden lächelte sie zu ihnen herauf. Es gab einen Ehrenkodex in der Wüste, soviel wußte sie. Man durfte die Bedürftigen und Verlorenen nicht ihrem Schicksal überlassen. »Nun gut«, sagte der Mann neben dem Kamel und klatschte mit dem Stock gegen seinen Stiefel, der mit kleinen silbernen Scheibchen besetzt war. »Du wendest dich besser an den Karawanenführer.« Er drehte sich um, hob den Arm und brüllte in den Staub und in das Getrampel der ankommenden Karawane: »Nachtlager! Alles anhalten!«
    Die Karawane verteilte sich im Sonnenuntergang über die Oase. Insgesamt gab es sieben Planwagen, die man zu einer Wagenburg zusammengefahren hatte, um einen Schutzwall gegen die Wüste zu bilden. In den Lücken zwischen den einzelnen Wagen brannten Feuer. Schakale näherten sich und stimmten in geringer Entfernung ein Heulkonzert an. Die Palme und der Brunnen bildeten das Zentrum des Lagers. Hier wurde unablässig Wasser geschöpft, man hatte Datteln — und zufällig auch das Piefel - heruntergeschüttelt.
    »Was ist denn das?« fragte der Mann mit dem Stachelstock mißtrauisch und wies auf das Piefel. »Sieht komisch aus.«
    »Mein Tier«, entgegnete Tanaquil.
    Das Piefel knurrte, woraufhin Tanaquil ihm einen Klaps auf die Schädeldecke versetzte. »Sch.«
    » Böse «, ließ sich das Piefel vernehmen.
    »Äh?« machte der Mann mit dem Stock und stierte das Piefel an.
    »Oh«, antwortete Tanaquil, »es bellt nur.«
    Der Mann mit dem Stock des Viehtreibers hieß Gork. Seine Kopfbedeckung wurde von einem silbernen Band zusammengehalten, seine dunklen Gewänder waren mit Ornamenten übersät, und vor seiner Brust hing eine große goldene Taschenuhr- Er klimperte und klickerte unablässig, und wenn er der Meinung war, zu wenig Lärm zu machen, klatschte er den Stock gegen die Stiefel und

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