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Das Mädchen und das schwarze Einhorn

Das Mädchen und das schwarze Einhorn

Titel: Das Mädchen und das schwarze Einhorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanith Lee
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Tier erbeutete ein anderes. Selbst die Pflanzenfresser zerstörten bei ihrer Nahrungssuche lebendige Früchte und Körner. In der perfekten Welt gab es eine perfekte Nahrung, die allen diente. Diese Nahrung war nichts Lebendiges, man mußte sie nicht angreifen und töten.
    »Sieh nur, da ist das Meer«, wandte Tanaquil sich an das Piefel.
    Sie legte sich in den Sand, das grüne Tuch über dem Kopf. Sie war sich eines schwachen zusätzlichen Schattens bewußt und erkannte, daß das Piefel sich an ihren Kopf gesetzt hatte. Die Sonne, die den Zenith mittlerweile verlassen hatte, warf den Körperschatten des Piefels auf sie.
    Tanaquil dachte, Jaive würde ihr Haar bürsten. Sie ging nicht besonders sanft mit ihr um, und Tanaquil protestierte. Sie befanden sich in einem Boot auf einem See. Das Boot schlingerte wild, so daß Tanaquil hochgeworfen und wieder in die Polster geschleudert wurde. Das Piefel landete auf ihrer Brust. Es blickte zu ihrem Kopf hoch und fletschte die Zähne gegen Jaive, die immer noch mit dem Kamm Tanaquils Haar bearbeitete.
    »Au. Mutter, bitte«, murmelte Tanaquil.
    Sie hob die schweren, sandverkrusteten Lider, und die Sonne brannte ihr in die Augen. Irgend etwas zog sie an den Haaren. Sie rumpelte über die Dünen, und das Piefel wuselte zornig um sie herum, spuckte und rülpste vor lauter Wut.
    Tanaquil blinzelte. Ohne Erstaunen erkannte sie die nachtschwarze Gestalt, und das flammend helle Horn hing direkt über ihr.
    Das Einhorn zerrte sie an den Haaren über den Sand.
    Dies war ein Traum.
    »Was bist du?« fragte Tanaquil das Einhorn. »Ich meine, was bist du wirklich? Wo bist du hergekommen? Was willst du?«
    Sie wurde einen Sandhügel hinaufgezogen, hinter dem die Sonne wegflimmerte. Und dann brannte die Sonne wieder mit voller Kraft auf sie hernieder, und sie taumelte und rollte durch einen Strom von Körnern und Partikeln, durch den Staub von Jahrhunderten von Wüste. Keuchend und hustend fiel sie fünfundzwanzig Fuß tief gegen ein graues, hartes Hindernis. Das Piefel purzelte an ihrer Seite hinunter und fand sich kopfüber in einer Sandverwehung wieder, aus der es sich mit viel Lärm und wenig Würde befreite. Tanaquil lächelte. Obwohl das Hindernis, auf das sie geprallt war, ihr einige Quetschungen zugefügt hatte, lag sie doch nun in einem blauen Schattenstreifen, der ihr so kühl und angenehm erschien wie ein Fluß.
    Eine Zeitlang ließ sie sich von der Kühle trösten. Dann blickte sie zur Sonne empor, die durch einen Baum geteilt wurde; seine großen Palmwedel filterten das goldene Licht. Dann rollte sie sich herum. Das Hindernis war ein Stein, der einen vertikal in den Sand verlaufenden Tunnel markierte. Es war der Aufbau eines Brunnens, und darunter lag der Brunnenschacht. Der Brunnen hatte eine lederne Schöpfvorrichtung und tiefes, kaltes, schwarzes Wasser.
    Der blaue Schattenstreifen wurde von einer einzigen Palme von beeindruckender Höhe geworfen. Das Piefel, das sich schnell erholt hatte, war schon den Stamm hinaufgeklettert und sprang in den kupferartigen Blättern umher. Ein Schauer von Datteln prasselte in Tanaquils Schoß.
    Der Frieden der Oase war wundervoll. Es gab keine Anzeichen dafür, daß die Nacht wiederkehren, der Brunnen zufrieren, der Schneefall einsetzen würde. In der Oase würde der Nachmittag nie enden.
    Tanaquil dachte überhaupt nicht nach. Das hatte sie aufgegeben. Es war sowieso alles sinnlos.
    Die Sonne sank tiefer, und der Himmel gerann in dunklerem Licht. Der Schatten der Palme schien eine Meile lang zu sein.
    Tanaquils Blick folgte dem Schatten und entdeckte ein weiteres Trugbild. Diesmal gaukelte die Sonne ihr eine auf und ab hüpfende Bewegung der Erde vor. Der Sand stob in einer blankpolierten Wolke auf. Gestalten von Tieren begannen sich aus der Staubwolke herauszukristallisieren, Gestalten von Reitern und Wagen. Diese Fata Morgana war anders als die vorigen. Sie hatte auch Geräusche, ein Rumpeln und Gemurmel und das helle Klingen kleiner Glöckchen.
    Tanaquil beobachtete das Trugbild wohlwollend. Es kam näher und näher, wurde immer lauter. Tanaquil machte nun fünf beige Kamele mit farbenfrohem Zaumzeug aus, Männer, die auf ihren höckerigen Rücken im Dunst hin und her schwankten, und schließlich die großen Räder von drei Wagen, von jeweils sechs Maultieren gezogen.
    Sie erkannte Männer in Tuniken, Hosen und Stiefeln, die Köpfe mit Tüchern umhüllt, und dann noch drei ziegelrote Kamele mit schwankenden Seidenkäfigen auf ihrem

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