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Das Mädchen und das schwarze Einhorn

Das Mädchen und das schwarze Einhorn

Titel: Das Mädchen und das schwarze Einhorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanith Lee
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lachte und johlte und hatte ihren Spaß.
    Ein häßliches Klacken wurde von dem Marmor zurückgeworfen. Eine Schlange gab es nicht mehr, statt dessen lag ein Haufen von Schuppen und wippenden Federn zu Füßen des Löwen. Das Piefel, eine silbrige Wirbelsäule und ein ebensolches Haupt im Maul, galoppierte auf Tanaquil zu.
    Sie fing es ein. »Garstig«, rief Tanaquil unangebrachterweise. »Du blödes Vieh, es ist noch nicht mal echt ... «
    Das Piefel hockte sich zu ihren Füßen nieder, zauste das silberne Rückgrat der mechanischen Schlange und knurrte. Es schien leicht verlegen zu sein.
    »Es tut mir so leid ...« Tanaquil eilte zu der Statue hinüber und blickte zu dem Flötenspieler auf, der die verstreuten Teile seiner Darbietung einsammelte. »Fünfundsiebzig Kupfergewichte und drei Pfennig hat mich das gekostet«, stöhnte er. »Von den besten Kunsthandwerkern der Stadt gefertigt. Und jetzt - sieh nur.«
    Die Leine hinter sich her schleppend, war das Piefel Tanaquil gefolgt. »Gib's her.« Sie löste Wirbelsäule und Kopf aus seinen Fängen, und das Piefel schien dankbar zu sein, die Angelegenheit mit einer gründlichen Putzorgie ad acta legen zu können. Der Kopf facettierte grüne Glasaugen und mit einem Scharnier versehene Kiefer mit elfenbeinernen Zähnen. Tanaquil versuchte, die Federn wieder in ihre Nut zurückzupressen. »Ich glaube, daß ich das hier wieder reparieren kann.«
    »Nein, nein, nur mein verdammtes Pech. Es ist hinüber.«
    »Wirklich, ich glaube, daß ich es kann. Ich kann in der Tat Sachen reparieren.«
    Der Schlangenbeschwörer starrte sie mit tränenfeuchten Augen an.
    »Bist du Kunsthandwerker?«
    »Nun — ich denke schon.«
    »In Ordnung, also tu es.«
    »Ich werde ein paar Werkzeuge benötigen ...«
    »Ein Kunsthandwerker und keine Werkzeuge«, spottete der verbitterte
    Schlangenbeschwörer. Er ließ sich auf den Löwen fallen und weigerte sich, auf Tanaquil, das Piefel, die Menge oder seine Schlange einen weiteren Blick zu verschwenden.
    »Da drüben, an Bidats Stand — er wird dir ein paar Werkzeuge leihen«, ließ sich ein Mann vernehmen, der von dem Fleischstand herübergekommen war. »Mittlerweile kannst du mich für den Happen entschädigen, den dein Hund sich aus meinem Ochsen gestattet hat.«
    »Ich besitze keinen Pfennig«, erwiderte Tanaquil.
    Zu ihrem Erstaunen entgegnete der Mann: »Dann war es eben umsonst. Das ist mir der Lacher wert.«
    Den ganzen Nachmittag lang hockte Tanaquil unter dem Marmorlöwen und brachte die mechanische Schlange wieder in Ordnung.
    Es war eine ziemlich schwierige Aufgabe, doch je länger sie sich damit beschäftigte, desto besser bekam sie ein Gefühl dafür, was zu tun war. Die Schuppen, die sie anfangs für die schlimmste Herausforderung gehalten hatte, ließen sich mit Hilfe von winzigen Häkchen ganz einfach ineinanderfügen.
    Während sie arbeitete, blieben Leute stehen, um ihr dabei zuzusehen. Sie ignorierten das an einen Pfosten gebundene Piefel und den auf seinem Löwen vor sich hin brütenden Schlangenbeschwörer und fragten einfach, was Tanaquil dafür nehmen würde, ein Spielzeug, eine Uhr oder eine kleine Bewässerungsvorrichtung zu reparieren. Und Tanaquil gab zur Antwort: »Die Hälfte des marktüblichen Preises.«
    Das führte dazu, daß man bis zu der Zeit, als die Sonne im Westen unterging, zahlreiche verschiedene Gegenstände ihrer Obhut anvertraut hatte. Der Basar schloß keineswegs bei Sonnenuntergang; es wurden bereits Lampen und Fackeln entzündet.
    »Hier, fertig«, erklärte Tanaquil schließlich und hielt die wieder wie neu glänzende Schlange in das rötliche Abendlicht. »Schau, ob sie funktioniert.«
    »Natürlich wird sie nicht funktionieren. Das sind haarfeine Mechanismen ...«
    »Probier es einfach aus.«
    Der Schlangenbeschwörer griff sich mißmutig die Schlange und schleuderte sie in den Holzkrug, als verabscheue er sie. Doch erblies ein paar Noten auf seiner Flöte. Die Schlange erwachte zum Leben. Zu der säuerlichen Musik wand sie sich aus dem Korb empor und tanzte für den Sonnenuntergang.
    Der Schlangenbeschwörer setzte die Flöte ab, und die Schlange verharrte schimmernd in aufrechter Stellung.
    »Ich werde dir nicht danken. Schließlich hat dein Hund sie kaputtgemacht.«
    »Nein, bitte , danke mir bloß nicht«, erwiderte Tanaquil trocken. »Das kann schnell zur schlechten Gewohnheit werden.«
    Sie dehnte und streckte ihre Finger, schluckte Hunger und Durst hinunter, ergriff die beiden Hälften

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