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Das Mädchen und das schwarze Einhorn

Das Mädchen und das schwarze Einhorn

Titel: Das Mädchen und das schwarze Einhorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanith Lee
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seine Gürtelschnalle bestand aus einem vergoldeten Hammer, der sich mit einem Bronzemeißel kreuzte.
    Mit dröhnender Stimme erklärte er: »Ich bin Vush.« »Wie schön für Euch«, entgegnete Tanaquil. Um sie herum verebbten Geschwätz und Lärm des Gewürzmarkts. Alles starrte auf Vush und seine beiden bulligen Begleiter.
    »Du kennst mich nicht?« fragte Vush. Er hatte einen furchterregenden Bart, der, während er zu ihr sprach, auf und ab hüpfte. »Ich bin untröstlich.«
    »Ich bin der Meister der Kunsthandwerkergilde der Meer Stadt.«
    In Tanaquils Kopf klingelten die Alarmglocken. Sie packte das Piefel an seiner Halsleine. Es übte bereits ein einleitendes Knurren.
    »Wie schön, Euch kennenzulernen«, entgegnete Tanaquil.
    »Es ist ein Mädchen«, stellte der Begleiter zu Vushs Linker fest. Er machte eine Bewegung, so daß Tanaquil seinen Gildenschurz sehen konnte; auch er trug das Abzeichen von Hammer und Meißel, dazu einen bronzeverstärkten Knüppel.
    »Wenn dem so ist«, fuhr Vush fort, »sollte sie zu Hause sitzen und nicht hier einen solchen Aufruhr veranstalten.«
    »Oje«, erwiderte Tanaquil mit gespielter Unterwürfigkeit, »habe ich das wirklich getan?«
    Natürlich war es nur zu offensichtlich, was geschehen war. Sie benötigte erst gar nicht die nun folgenden Ausführungen von Vushs anderem Begleiter: »Bindat hat dich der Gilde gemeldet. Er behauptet, du würdest die Hälfte des marktüblichen Preises berechnen. Alle Preise werden von uns festgelegt.«
    »Und du bist nicht Mitglied in der Gilde«, setzte Vush hinzu. »Was bedeutet, daß du überhaupt nicht berechtigt bist, in der Stadt zu arbeiten.«
    »Das wußte ich nicht«, verteidigte sich Tanaquil. »Seht Ihr, ich komme aus diesem Provinznest —
    Um-, und niemand hat mir jemals ... «
    »Zeig mir das mal«, verlangte Vush und deutete auf das Brettspiel.
    Tanaquil dachte: »Er wird es zerschmettern, möglicherweise auf meinem Kopf .«
    Bevor sie sich dazu durchringen konnte, das Piefel aus ihrem Sicherheitsgriff zu entlassen, hatte sich der Handlanger zu Vushs Linker schon heruntergebeugt und ihr das Spiel weggeschnappt.
    Statt es auf ihr zu zerbrechen, untersuchten die drei sorgfältig den Mechanismus.
    »Keine schlechte Arbeit», erklärte Vush am Ende.
    Tanaquil lächelte albern. »Herzlichen Dank.«
    »Wir haben keine Frauen in der Gilde«, fuhr Vush fort. »Du wirst uns als Junge beitreten müssen.«
    »Aber beitreten mußt du der Gilde«, fügte der Handlanger rechts von Vush hinzu.
    »Oder den Hafen für dich.«
    »Ihr meint, Ihr werdet mich in ein Schiff setzen und fortschicken?«
    »Wir meinen, daß wir dich mit Bleisandalen im Hafen versenken werden.«
    »Ich werde der Gilde beitreten«, beeilte Tanaquil sich zu versichern. »Es ist mir eine Ehre.«
    »Die Aufnahmegebühr beträgt vierzig Silbergewichte.«
    »Oh.«
    »Du wirst dir einen Bürgen suchen müssen, der für deine Aufnahmegebühr geradesteht. Eins der Gildemitglieder könnte so freundlich sein.«
    »Und dann wirst du in seiner Schuld stehen.« »Du wirst doppelt hart arbeiten müssen, um ihm sein Geld zurückzuzahlen.«
    »Dafür wirst du dann die Gilde brauchen.«
    »Jawohl.«
    Das Piefel nahm Maß und schnellte seine Klaue in Richtung von Vushs teurem Stiefel. Der Hieb ging daneben.
    »Komm bei Sonnenuntergang zur Gilde«, wies Vush sie an. »Jeder hier in der Stadt wird dir den Weg zeigen können.«
    »Wenn du nicht kommst«, setzte der Mann zur Linken fort, »kommen wir dich holen.« »Zu freundlich«, sagte Tanaquil.
    Sie sehnte sich nach einem von Jaives Zaubersprüchen, der Jaive zufolge Vush und Konsorten in Frösche verwandelt hätte.
    Es stimmte, daß jeder zu wissen schien, wo sich die Gildenhalle der Kunsthandwerker befand — zumindest wiesen alle Leute, die Tanaquil fragte, ihr munter und ohne Zögern den Weg. Das Gebäude erhob sich in einer weiteren Prachtstraße, in Sonnenlicht gebadet, und seine vergoldeten Eingangssäulen glänzten mit dem Symbol von Hammer und Meißel über dem Portal um die Wette. Das Portal indes war fest verschlossen. Tanaquil, das Piefel an einer neuen, stabilen Leine, die sie diesen Nachmittag erstanden hatte, klopfte höflich und sodann heftig, doch ohne Erfolg. Vielleicht war die unheilvolle Einladung der Kunsthandwerker nur eine Herausforderung gewesen, ein böser Scherz womöglich, um sie bloßzustellen. Diese Hoffnung verflüchtigte sich, als ein fetter, unfreundlicher Männerkopf in der runden Öffnung über dem Portal

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