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Das Mädchen und das schwarze Einhorn

Das Mädchen und das schwarze Einhorn

Titel: Das Mädchen und das schwarze Einhorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanith Lee
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meinen Streitwagen. Dein Tier darfst du mitbringen.«
    »Ich bin sicher, daß ich die Ehre nicht verdiene«, versetzte Tanaquil.
    »Es ist keine Ehre«, entgegnete die Prinzessin. »Es ist eine Einladung.«
    Tanaquil stieg von ihrem Löwen, und das Piefel rutschte den Laternenpfosten hinunter. Sie erklommen den blumengeschmückten Streitwagen, und die Prinzessin zog die Zügel an. Die kleinen weißen Pferdchen preschten davon, geradewegs durch die säumigen Zuschauer auf der Straße, die beiseite taumelten.
    Einige wenige Schneeflocken schwebten umher, was unüblich für die Stadt war. «Übrigens, es tut mir leid, aber Vater wird die Sache mit den Kunsthandwerkern keineswegs verfolgen. Es wäre sinnlos, ihn überzeugen zu wollen. Es spricht, nicht wahr?« sagte die Prinzessin. »Das Tier.«
    »Ich kann, ähm, es so aussehen lassen.«
    »Gut. Ich dachte mir doch, daß du in Ordnung bist.«
    Sie rasselte aus der mit Löwenlaternen gesäumten Prachtstraße in eine weitere, an der sich vergoldete, von Laternen erhellte Delphine reihten. Dann galoppierten sie auf den Fuß eines Hügels zu und dessen Abhang hinauf. Das Piefel wickelte sich fest um Tanaquils Knöchel und krallte sich fest. »Zu schnell. Will runter.«
    »Das ist ausgezeichnet«, beglückwünschte sie die Prinzessin.
    »Oh. Danke.«
    Auf der Hügelkuppe, wo die Straße abwechselnd von Laternen mit vergoldeten Kraken und vergoldeten Kamelen erhellt wurde, tauchte ein sonderbarer weißlicher, erleuchteter Berg auf.
    »Der Palast meines Vaters«, erklärte die Prinzessin leicht gelangweilt.
    Als das rasende Tempo des Streitwagens sich verlangsamte, versuchte Tanaquil, die horizontalen Linien von Fenstern und Balkonen zu zählen, was ihr auch gelang. Es waren fünfzehn Stockwerke.
    »Du kannst dieses Zimmer benutzen, wenn es dir gefällt«, schlug die Prinzessin vor. Ihr Name, wie sie soeben .enthüllt hatte, war Lizra. »Nimm ein Bad und such dir dann eins der Kleider in dem Zedernholzschrank raus. Dann werden wir zum Abendessen hinuntergehen. Es dauert immer stundenlang. Macht nichts, wenn wir zu spät kommen.« Sie hatte ihren Umhang abgeworfen und saß nun in einem roten Gewand mit goldenen Knöpfen da.
    Als sie ihr Schlafzimmer betreten hatten, war Tanaquil halb beleidigt und halb erfreut gewesen. Es war ein gigantischer Raum, und alle Wände waren wie ein wundervoller Garten mit Obstbäumen und Blumen bemalt, mit einem Flamingoteich, dessen Wasser, Einlegearbeiten aus Lapislazuli, zu reflektieren und kleine Wellen zu schlagen schien. Auf der blauen Decke prangten eine goldene Sonne und ein silberner Mond und einige Planeten aus Kupfer und Platinum, die sich auf wirklichkeitsgetreuen Bahnen bewegten. Als Lizra einen goldenen Griff an ihrem Bett betätigte, flatterten drei künstliche Tauben hervor. Das Bett selbst hatte die Form einer Seemuschel und war mit Perlmutter beschlagen. Es gab keine Kamine. Rohre mit heißem Wasser, so schien es, verliefen unter dem Fußboden und hinter den Wänden, gespeist von Öfen im Erdgeschoß.
    Auch das Piefel war überwältigt. Es verzierte auf der Stelle einen goldgewebten Läufer mit seinem Kot, um diesen dann wie einen Pfannkuchen über seinem Mißgeschick zusammenzufalten.
    Tanaquil befürchtete die sofortige Exekution, doch Lizra ergriff nur den Läufer und schmiß ihn aus dem Fenster, zehn Stockwerke tief in die darunterliegenden Gärten. »Irgend jemand wird ihn finden, den Dung auf die Beete packen, den Läufer reinigen und mir zurückbringen.«
    Nichtsdestotrotz zeigte sie Tanaquil und dem Piefel einen marmorverkleideten Badesaal, in dem bereits ein geräumiges Tablett mit Erde deponiert worden war.
    Der andere Raum führte aus dem Schlafzimmer hinaus. Er war ganz in Rosa gehalten und besaß ein Bett und einen Kamin, beide mit zinnoberroten Stützen. »Hier wohnen meine Besucher«, erklärte Lizra leichthin, »Freunde.«
    Tanaquil zog zweifelnd ihre rechte Augenbraue in die Höhe. »Du bist zu freundlich. Sicher erweist du mir doch nicht soviel Ehre, mich unter deine Freunde zu zählen?« »Also bist du ein Feind?« fragte Lizra und schoß Tanaquil einen messerscharfen Blick zu.
    »Ich meinte nur ... «
    »Kümmer dich nicht um mich«, sagte Lizra. Sie betrachtete das Piefel, das, einem etwas verspäteten Trieb folgend, sich kratzte und dabei die Erde durch das ganze Bad verteilte. »Laß es etwas sagen«, verlangte Lizra. »Ich glaube, es möchte gerne.« »Eingebuddelt«, sagte das Piefel. »Kluges

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