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Das Mädchen und der Schwarze Tod

Das Mädchen und der Schwarze Tod

Titel: Das Mädchen und der Schwarze Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Falkenhagen
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von de’ Kopp bis zu de’ Trippen, un’ hat’n armen Ab’ gezeechnet, und dann isser wech.« Er zitterte nun stärker, die Augen in weite Ferne gerichtet, als könne er die Szene vor seinem inneren Auge sehen. »Hing noch’n Fetzen von seenem verdammichten Kleid am Karr’n.« Er bekreuzigte sich wieder.
    Marike strich dem Mann über den beinahe kahlen Kopf und lächelte, bevor sie über seine Wortwahl stutzte. »Er hatte Trippen an?« Sie wies auf die schlanken Holzsockel, die auch sie unter ihren weichen Lederschuhen trug, damit die kostbaren Schuhe und der Kleidersaum in Staub, Schlamm und Dreck nicht schmutzig wurden.
    Willem blickte sie erstaunt an. Seine Augen sahen kurz wieder durch sie hindurch, und dann nickte er. »Solche wie die. Düvel, wie absonderlich.« Die schützende Geste folgte.
    Doch Marike schüttelte energisch den Kopf. »Nein, nicht absonderlich. Dein Teufel war kein Teufel. Dein Teufel war ein Mann. Ein ganz gewöhnlicher Mann.«
    »’n Mann? Na, den will ik in de Finger kriegen!« Der Alte drehte einem Unsichtbaren den Hals um. Danach sackte er wieder in seine müde Haltung an der sonnenwarmen Mauer.
    »Ja, ich auch«, erwiderte Marike grimmig. »Ich auch.«
    »Un’ de’ hungrige Bursch’ von de’ Fahrensleut’ war och da.«
    »Was?«, fragte Marike überrascht. »Ein schlanker Kerl mit zotteligem Haar, der ein bisschen wie ein Wolf aussieht?«
    Der Alte nickte. »Is’ das de’ Düvel?«
    Ein kalter Schauer schüttelte die Kaufmannstochter. Sie rieb sich die Arme und zuckte mit den Schultern. »Ich weiß es nicht. Vielleicht.« Dann sah sie mitleidig auf den Bettler hinunter. »Willem, du solltest nach Hause gehen. Du siehst müde aus.«
    »Des bün ik, Deern«, nickte der hagere Alte und streckte ihr einen Arm entgegen. Marike half ihm auf und gab acht, dass er seinen Stock, seine Kästchen und seine Börse bei sich hatte. Nach ein paar Schritten drehte er sich allerdings noch einmal um. »Bist’n gutes Kind«, lächelte er zahnlos. »Keen Wunder, bei den Eltern!« Dann schlurfte er den Kirchhof hinunter.
    Marike lächelte. Der Bettler hatte in einem Punkt recht – einen besseren Vater konnte man sich nicht wünschen. Und ihre Mutter – der Knoten im Hals bewies ihr, wie sehr sie sie auch jetzt noch vermisste, obwohl sie sich doch kaum an sie erinnerte -, ihre Mutter war eine so gute Frau gewesen, wie sie niemals sein würde. Sie dachte an den Vater, der dort in der Kirche stand, nicht ahnend, was um ihn herum für Schrecklichkeiten vorgingen und was seine Tochter in den letzten Tagen alles erlebt hatte. Wie hatte sie ihm das alles nur verheimlichen können? Er konnte doch sicherlich helfen, irgendetwas tun, um die Schuldigen an den Galgen zu bringen! Sie beschloss, das zu ändern, sobald sich die Gelegenheit bot. Was hatte sie ihm nicht alles zu beichten!
    Sie wandte sich der Kirchtür zu, als sie an dem Holz noch die Verfärbung vom Rotwein erkannte, die der Unfall hinterlassen hatte. Inszenierter Unfall, korrigierte Marike sich in Gedanken. Sie schickte ein Gebet für den freundlichen Guardian Clemens gen Himmel und bekreuzigte sich. Hinter der Tür wartete sicher ihr Vater schon auf sie. Ihr Blick fiel wieder auf die Fiedlerin. Anna stand musizierend am Ende des Kirchhofs, den Beutel vor sich auf dem Boden, und nickte, wenn jemand ihr einen Pfennig hineinwarf. Sie hatte offenbar keine Angst vor der Pest.
    Marike hielt inne. Diese Hure kannte den Flötenspieler. Wenn der alte Willem recht hatte, war dieser Kerl hier gewesen, als Clemens gestorben war. Es war gut möglich, dass der Fahrende der Mann in Schwarz gewesen war, den der Alte für den Teufel gehalten hatte. Pater Martin hatte vorgehabt, mit dem Schausteller zu sprechen, doch dann war er umgebracht worden. In jedem Falle konnte Anna Marike zu dem verdächtigen Pfeifer führen.
    »Heh!«, rief sie und ging auf die Frau zu. Die sah auf und setzte die Geige ab. Plötzlich hatte sie es sehr eilig, denn sie lief fort und verschwand um die Kirche. »Heda!«, rief Marike noch einmal und hastete hinterher. Kaum war sie um die Kirche herum, lief sie fast in einen alten Karren hinein, vor den ein müder Klepper gespannt war. Auf dem Bock saß eine Gestalt, die in abgerissene Kleider gehüllt war, trotz der Hitze einen grauen Mantel mit Kapuze und einen um das Gesicht geschlungenen Lappen trug. Ein Pestkarren. Auf dem hinteren Rand hockte eine zweite Gestalt – ein kräftiger junger Bursche, dessen dunkles Haar und

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