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Das Mädchen und der Schwarze Tod

Das Mädchen und der Schwarze Tod

Titel: Das Mädchen und der Schwarze Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Falkenhagen
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betastete sein Gesicht, seinen Hals, seine Brust. Die Augen des Alten waren noch geöffnet, die Pupillen leicht nach oben verdreht. Auf der Stirn fand sich wie schon bei Gunther von Kirchow ein kleiner Holzspan. Wütend riss sie ihn heraus und schleuderte ihn fort. Gesicht und Lippen des Greises waren blutverschmiert. Von seinem Rücken zog Marike eine feucht-rote Hand zurück. Trotz allem meinte sie, auf den Lippen des Alten noch ein sanftes Lächeln zu erkennen.
    Ein dumpfes Gefühl pochte in ihrem Kopf: Sie war zu spät gekommen. Hätte sie das verhindern können? Doch sie verwarf den Gedanken. Woher sollte man ahnen, dass jemand den alten Willem töten wollte, der in seinem ganzen Leben wohl noch nie jemandem ein Haar gekrümmt hatte? Doch eine leise Stimme in ihr stellte die Frage, wie gerecht ein Gott sein konnte, der den Mord an einem so hilflosen alten Mann zuließ. Obwohl Marike keine Trauer spürte, blinzelte sie ein paar Zornestränen weg. Sie spürte nur Kälte in sich, die von ihrem Magen auf ihren ganzen Körper ausstrahlte. Der Tod Willems würde außer sie selbst, Felix und ihren Vater kaum jemanden weiter in Trauer versetzen. Es gab niemanden, der für ihn Anklage erheben würde, und niemanden, der sich darum scheren würde, warum man ihn umgebracht hatte. Dafür war er einfach zu unwichtig. Sie sah auf das Lächeln des alten Mannes hinunter und fasste einen Entschluss: Wenn der Fron und die Stadt keine Gerechtigkeit übten und Gott ebenfalls unwillens oder unfähig war, einzugreifen, dann musste sie das eben selbst tun.
    Marike schloss dem Alten die Augen. Dann stand sie auf und rannte los, durch die Hinterhöfe auf die Straße und den Weg zurück, den sie gekommen war. Doch sie machte bei Sankt Marien nicht halt, sondern lief weiter, zum Haus der Oldesloes. Der Herr Anton würde sehen, wie sich seine irdischen Taten auszahlten und was das Zitat »Auge um Auge, Zahn um Zahn« wirklich zu bedeuten hatte.

KAPITEL 14
    D as Haus der Oldesloes in der Braunstraße lag verlassen da. Marike klebte die Kleidung am Körper, und sie rang nach Luft, denn sie war die ganze Strecke gerannt. Sie trat in das Haus und durchquerte die Diele. Sie rechnete nicht damit, dass Gesinde anwesend war, Oldesloe hatte es sicher fortgeschickt. Ihr Blick schweifte über die Abendmahldarstellung an der Wand. Nun wusste sie, warum Judas so prominent mit Jesus zusammen an einem Tisch saß – Oldesloe war schließlich selbst ein Verräter, der jene heimtückisch hintergangen hatte, die ihm nahestanden. Vielleicht sah er sich in seiner Selbstverliebtheit sogar in der Nachfolge dieses schlimmsten aller Treulosen.
    Nach einem Blick in den leeren Hof stieg Marike zielstrebig die Treppe in die oberen Geschosse hinauf. Ihre Beine zitterten bei dem Gedanken daran, ob Lyseke, die arme, kranke Lyseke, wohl noch am Leben wäre. Doch darum musste sie sich später kümmern, denn die Tür zu Oldesloes Kammer stand leicht offen. Dahinter war das Platschen von Wasser zu hören. Marike presste sich an die Seite und schob vorsichtig die Tür auf. Dahinter stand Anton Oldesloe nur im Hemd vor einer Schüssel und wusch sich die blutigen Hände. Nahe der Tür lag ein schwarzer Umhang auf einer Truhe, darauf der noch blutbefleckte Dolch.
    »Seid Ihr zufrieden mit Eurem Werk?«, fragte die Kaufmannstochter bebend und trat in den Türrahmen.
    Oldesloe sah auf, sein bulliges Gesicht noch erhitzt. »Jungfer Pertzeval! Ihr habt länger gebraucht, als ich dachte. Und Ihr seid allein gekommen. Damit seid Ihr auch dümmer, als ich dachte.«
    Marike schwieg. Er hatte ja recht. Sie konnte dem kräftigen Mann nichts entgegensetzen. Sie hatte sich keine Gedanken gemacht, was sie tun wollte, wenn sie erst einmal hier wäre.
    »Wie gut, dass nicht ich um Eure Hand angehalten habe. Ihr seid nicht einmal das gute Erbteil Eures Vaters wert.« Der Mann plauderte ungerührt vor sich hin.
    »Das heißt, Lynow wollte nur an Vaters Geld?«
    »Glaubt Ihr, er hat um Eures tugendhaften Wesens willen um Euch angehalten?«, höhnte er.
    »Nein, wohl nicht«, murmelte sie. »Ihr wolltet mich und mein Geld für Eure Bruderschaft, bevor Vater stirbt, oder?«
    »So ähnlich.«
    »Oder wolltet Ihr ihn dann gar umbringen?«
    »Euer Vater ist ein recht schlaues Kerlchen. Er muss geahnt haben, dass Eure Ehe seinen Tod bedeuten würde.«
    »Ja.« Wenn ihr Vater das geahnt hatte, war er zumindest schlauer als sie. »Aber warum all das Blut, Oldesloe?«, fragte sie tonlos. »Warum mussten

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