Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Mädchen und der Schwarze Tod

Das Mädchen und der Schwarze Tod

Titel: Das Mädchen und der Schwarze Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Falkenhagen
Vom Netzwerk:
der Teufel ihn mit diesem Irrsinn geschlagen hatte? Sie wusste es nicht. Ihm schäumte nicht der Mund wie anderen toll gewordenen Menschen – sein Denken hatte Methode, besaß eine langfristige und sorgfältige Planung. Mehr Planung, als sie Oldesloe eigentlich zugetraut hatte. Doch wer wusste schon, was der Teufel einem eingab …
    »Woher wisst Ihr, dass Lübeck so von Euch gerettet werden will? Wie könnt Ihr diese Entscheidung über anderer Leute Leben treffen?«
    Er zuckte nur mit den Schultern. »Jemand musste es tun.«
    »Und deshalb habt Ihr all diese Menschen, habt Ihr Euren eigenen zukünftigen Schwiegersohn ermordet?«, fragte sie leise.
    Oldesloe nickte. »Mit diesen Händen.« Er hob sie zur Demonstration hoch. Sein Gesicht drückte Bedauern aus. »Es war unerfreulich, dass meine Kleine so an ihm hing. Doch das ist jetzt alles egal. Sie muss nur noch ein Weilchen durchhalten!« Die Kälte, mit der Anton Oldesloe den Mord an Lysekes Geliebtem bekannte, raubte Marike die Sprache. Begriff er nicht, dass er damit seine Tochter zerstört hatte?
    Ein tränenschwangeres Schniefen, so leise wie der Flügelschlag einer Schwalbe, lenkte Marikes Blick dann doch kurz ab. Rechts von ihr stand Lyseke in ihrem Hemd, das starr von getrockneten Körpersäften war. Die liebe Freundin lehnte hinter der Mauer neben der Tür, in der Marike stand, sodass Oldesloe sie vom Raum aus nicht sehen konnte. Lyseke hatte kaum Kraft zum Stehen; um den einen Arm war noch eine der Fesseln geschlungen, aus denen sie sich befreit hatte. Sie sah aus wie der Tod auf Beinen. Das Gesicht bleich, die Augen unterlaufen, die Haare verkrustet und verfilzt. Die Pestbeulen waren inzwischen so geschwollen, dass man sie aufgeschnitten hatte, um den Eiter herauszulassen. Erst dachte Marike, das Fieber würde den Geist der Freundin vernebeln, doch das leise Schniefen und die frischen Tränenspuren, die sich hell in ihrem schmutzigen Gesicht abzeichneten, zeigten Marike, dass sie alles gehört hatte, was gerade gesprochen worden war. Ganz besonders das Geständnis ihres Vaters, Gunther von Kirchow ermordet zu haben. Jetzt kannte sie die Wahrheit. Die Augen der Freundin aber, so traurig sie auch dreinblickten, drückten Liebe aus, und Dankbarkeit. Marike nickte ihr kurz und zärtlich zu. Sie hatten beide teure Menschen verloren.
    Dann wandte Marike sich schnell wieder ab und Oldesloe zu. Er hatte den Blickwechsel nicht bemerkt, weil er sich eine kurze Houppelande übergezogen hatte. Es war besser, wenn Lyseke nicht auch noch in Gefahr geriet.
    »Es tut mir leid, dass es so weit kommen muss«, tönte Oldesloe nun polternd. Dann hielt er inne. »Nein, Entschuldigung, ich muss mich korrigieren. Mir tut nicht leid, dass es so weit kommen muss, im Gegenteil. Wenn es nach mir gegangen wäre, dann hätten wir dich und deinen Vater bereits vor Tagen nach einem schnellen Eheschluss aus dem Weg geräumt. Die Angst vor der Pest treibt die Leute zu verzweifelten Taten …«
    Marike spürte, wie die Kälte, die sie empfand, seit sie Willem gefunden hatte, auch auf ihr Herz übergriff – doch nicht vor Angst, sondern vor Zorn. »Ihr glaubt, Ihr schützt Lübeck?«, zischte sie. »Lübeck ist das Haupt der Hanse, ja. Doch was für ein Schlangenhaupt ist das, wo man die eigenen Bürger opfert? Wo jemand wie Ihr Geld und Einfluss nutzt, sein Gift zu verspritzen?« Sie zitterte vor Hass. »Pater Martin. Bruder Anselmus. Der alte Willem – all die lieben Menschen tragt Ihr auf dem Gewissen!«
    »Und ich trage sie gerne«, erwiderte Anton Oldesloe ernst. Sein Blick huschte zu dem Messer.
    Marike schnellte vor, ohne auch nur nachzudenken, und legte die Hand an den Messergriff. Oldesloe war zu langsam. Ohne Zögern zog sie die Klinge herum, falls der Mann nach ihrem Arm griffe, um sie zu blockieren. Sie stieß mit dem Messer auf Widerstand.
    »Verdammt!«, fluchte der Ratsherr und sprang instinktiv zurück. Sie hatte ihn an der Hand erwischt. Marike machte einen Schritt beiseite und hielt das Messer vor sich. Sie rechnete sich keine großen Chancen aus. Nur die Überraschung hatte ihr gerade geholfen.
    Jetzt sprang der verwundete Bulle vor. Marike ließ das Messer abtauchen, um ihn neuerlich auszutricksen, doch ihr Gegner war gewarnt. Er blockte ihren Unterarm mit seinem und schlug ihr Handgelenk gegen den Türrahmen. Das Messer entglitt ihr mit einem Schmerzensschrei. »So nicht!« Oldesloe zog sie mit Schwung in den Raum hinein, sodass sie beinahe über die Bettstatt

Weitere Kostenlose Bücher