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Das Mädchen und der Schwarze Tod

Das Mädchen und der Schwarze Tod

Titel: Das Mädchen und der Schwarze Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Falkenhagen
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immer darauf bedacht gewesen, dass die Leichen nicht allzu sehr beschädigt waren. Oldesloe selbst hatte ihm ja die Anweisung gegeben, solche Todesarten zu vermeiden. Notke schätzte, dass die Brüder mit den Toten noch eine Art Ritus vollzogen, für den der Körper zumindest nicht verbrannt oder verwest sein durfte. Warum nun hatte man das in Kauf genommen? Möglich war natürlich, dass sie dieses Ritual bereits vor dem Brand vorgenommen hatten.
    Etwas in Notke bedauerte, dass er das Gesicht dieses Mannes nicht mehr betrachten konnte, um es in sein Gemälde einzumalen. Vielleicht konnte ihm jemand den Mann beschreiben? Doch kaum hatte der Maler diesen Gedanken vollendet, wollte er sich dafür schlagen.
    Als die beiden Leichenfahrer den Körper mit Schwung auf den Karren warfen, wich ein Teil der Menge weiter zurück. Der Maler nutzte die Gelegenheit, näher heranzutreten. Der Körper war ziemlich zerschmettert. Glücklicherweise lag er auf dem Bauch, mit dem Kopf auf dem obersten Balken. Notke wollte den Schädel am Schopf hochziehen, griff jedoch nur in eine breiige Masse. Er musste würgen. Dann fasste er sich ein Herz, langte weiter vorne ins Haar und zog. Der Kopf war schwer, das Blut bereits getrocknet und spröde. Glücklicherweise waren Stirn und Gesicht völlig intakt. Und genau in der Mitte über der Nase, vielleicht zwei Finger über den Augen, saß ein dunkler Holzsplitter, wie Marike es von all den anderen Toten berichtet hatte. Unwillkürlich prägte der Maler sich die Züge des Mannes ein.
    Notke ließ den Kopf des Toten wieder sinken und wandte sich ab. Dieser Mann war dem einfachen Kittel nach offenbar ein Bauer. Das bedeutete dreierlei. Erstens musste auch der Klausner bereits tot sein, denn er war vor dem Bauern an der Reihe gewesen. Zweitens wäre der Jüngling, den Notke töten sollte, der Nächste. Und drittens blieben immer weniger Menschen übrig, die er mit seiner Tat schützen könnte – nur die Jungfrau und das Kind.
    Notke fühlte sich in die Enge gedrängt. Wenn er den Mord verübte, steckte er in dieser Reihe der Verbrechen bis über beide Ohren mit drin. Nebenbei beginge er eine Todsünde. Sosehr Notke den Handel mit der jenseitigen Glückseligkeit auch verabscheute, nun wünschte er, glauben zu können, dass ein bischöflicher Ablass seine Seele aus der Hölle freikaufen könnte. Wenn er den Mord nicht beginge, ließe Oldesloe ihn zweifelsohne trotzdem hängen. Der Zwiespalt, die Leichensäfte und das Blut des Bauern an seiner Hand wühlten dem Maler derart in den Eingeweiden, dass er sich übergeben musste.
    »Pest oder Cholera«, murmelte er und verzog das Gesicht zu einem spöttischen Grinsen, als er so an der Mauer lehnte. Er hatte die Wahl zwischen zwei Dingen, die ihn beide vernichten würden. Er hätte sein zukünftiges Leben so gerne mit Marike verbracht. Wurde er gehängt, war dieser Traum genauso vorbei, als wenn er Oldesloes Wunsch ausführte. Marike würde niemals einen Mörder heiraten.
    Marike. Ihr ernstes und mahnendes Gesicht stand ihm vor Augen, als sie im Rovershagen um das Leben des Schmiedes Lynow kämpfte. Ihre hellen, klaren Augen hatten so rechtschaffen und in heiligem Zorn gefunkelt, als sie gesagt hatte: »Niemand auf dieser Erde ist so unschuldig, dass er über jemand anderen urteilen könnte. Das kann allein Gott.«
    Bernt Notke spie noch einmal aus und wischte sich mit dem Ärmel über den Mund. Die Jungfer hatte in moralischen Fragen immer so klar gewusst, was zu tun war. Bei ihr gab es keinen Zweifel, kein Zögern. Sie würde niemals auch nur daran denken, einen Menschen zu gefährden. Und jetzt wusste er, wie er sich entscheiden musste. Er schämte sich, überhaupt darüber nachgedacht zu haben, das Leben eines Menschen zu zerstören, um sein eigenes zu retten.
    Er eilte die Holstenstraße hinauf. Er musste Marike sehen, musste sich bei ihr entschuldigen, dass er in der Kirche so brüsk gewesen war. Doch vorher würde er noch in seiner Werkstatt vorbeischauen, denn er hatte in seinen freien Stunden etwas gefertigt, das nun ihr gehören sollte. Gemeinsam würden sie wissen, was zu tun war, und gemeinsam würden sie dieses Gewitter überstehen – auf die eine oder andere Weise.
    Notke fing trotz der Schwüle an zu laufen. Er fühlte sich, als wäre ihm ein großes Gewicht von den Schultern gefallen. Ob er sein Leben retten könnte, wusste er nicht. Aber seine Seele würde er nicht mit dem Blut eines Unschuldigen beflecken.
     
    Als Notke von dem großen

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