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Das Mädchen und der Schwarze Tod

Das Mädchen und der Schwarze Tod

Titel: Das Mädchen und der Schwarze Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Falkenhagen
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ihn hinweist. Doch glaubt mir – Oldesloe war der Kopf dieser Bruderschaft. Und mit ihm ist jetzt alles vorbei.«
    Notke wusste nicht, ob sie damit recht hatte. Doch ihm fiel ein Stein vom Herzen. Oldesloe wäre keine Gefahr mehr für ihn. Der bullige Mann mit seinem nicht geringeren politischen Schwergewicht war seine größte Sorge gewesen. Und trotzdem passte der Tod des Bauern heute Morgen ins Schema. Doch das wollte Marike jetzt nicht hören. Vielleicht gelang es ihm ja, sie ein wenig aufzumuntern.
    Also nahm Bernt Notke das Paket auf, das er mitgebracht hatte. Er trat vor und hielt es ihr entgegen: »Jungfer Marike, ich möchte, dass Ihr das hier bekommt.«
    Endlich sah die junge Frau auf und blickte ihm in die Augen. Notke las Erstaunen darin und war froh, dass ein kleiner Teil des Eises zwischen ihnen brach, das früher nie da gewesen war. »Was – was ist es?«
    »Eine Überraschung. Bitte, nehmt es.«
    Sie rang mit sich, griff schließlich aber doch nach dem flachen Gegenstand. Sie warf ihm noch einen fragenden Blick zu. Dann schlug sie das Leinentuch zurück und hielt schließlich das Bild in der Hand, das Notke gemalt hatte. Es zeigte Marike selbst. Er sah, wie die Jungfer staunte.
    Bernt Notke hatte sich alle Mühe gegeben, Marikes Konterfei einzufangen. Das weiche Gesicht, dessen Haut so samtig zart war, die feinen Augenbrauen, die sich mal skeptisch, mal fröhlich schwangen, gar die kleine Nase und die eigenwilligen Lippen, die ein geheimnisvolles kleines Lächeln andeuten konnten. Das rot schimmernde blonde Haar floss ihr wie ein Wasserfall lang und offen über die Schulter. Am meisten Mühe aber hatte der Maler auf ihre Augen verwendet. Halb geschlossen und in sich versunken blickten sie am Betrachter vorbei in eine Ferne, die nur sie sehen konnte. Die klare blaue Iris mit dem hellen Strahlenkranz eiferten einem Stern nach.
    Notke beobachtete Marike, wie sie ihr Abbild betrachtete und lange studierte. Mit jedem Herzschlag wurde ihm unwohler, denn er hoffte natürlich, dass seiner Angebeteten das Bild gefallen würde. Als er jedoch die ersten Tränen über ihre Wangen fließen sah, schluckte er bestürzt. Dann band Marike das Leinen wieder um das Bild und verbarg die Augen hinter dem Ärmel.
    »Ist es so schlecht geworden?«, rief Notke bedrückt. »Ich hatte gehofft, dass Ihr mit Wohlgefallen darauf schaut.«
    »Es ist wunderbar«, hauchte Marike, doch das verwirrte den Maler noch mehr. »Doch das bin nicht ich. Nicht mehr.«
    »Ich verstehe nicht.«
    Marike antwortete nicht, sondern reichte ihm das Bild zurück. Doch er hob abwehrend die Hand. »Nein, lasst nur. Ich will trotzdem, dass Ihr es behaltet«, er hörte wohl seine Worte, doch er hatte Mühe, seine Stimme zu erkennen. »Bitte behaltet es.«
    Sie schaute unschlüssig auf das eingeschlagene Bild, dann nickte sie und legte die Hand darauf. »Ihr solltet jetzt gehen, Meister Notke. Ich danke für Euren Besuch.« Sie saß wieder steif und aufrecht da, die Wangen und die Augen noch leicht gerötet, doch fern und unnahbar.
    »Jungfer, ich … ich hatte gehofft, heute mit Eurem Vater sprechen zu dürfen. Betreffs unserer … unserer beider Zukunft.« Doch ihn überkam ein Zweifel, dass seine Hoffnung sich erfüllen würde.
    »Meister Notke, Ihr solltet gehen«, wiederholte Marike gepresst. Stand da Furcht in ihren Augen geschrieben?
    »Sind denn all Eure Gefühle für mich dahin?«, fragte er eindringlich. »Ist all das fortgewischt, was wir empfunden haben?«
    Sie biss sich auf die Unterlippe und spielte dabei an der Bernsteinkette, die um ihren Hals hing. »Ich kann nicht. Mein Vater würde nie … und er braucht mich.«
    Notke schöpfte Hoffnung, sie doch noch umstimmen zu können. »Ihr wisst, wie selten man in unserer Gesellschaft aus Liebe heiratet.«
    Mit diesem Wort – Liebe – eroberte er ihre Aufmerksamkeit zurück. »Ich zumindest liebe Euch, Marike. Ich hoffte, wir würden den Rest unseres Lebens miteinander verbringen und glücklich sein.« Er lächelte und wies auf die Kette, die sie trug. »Und ich glaubte, auch Ihr würdet mich lieben. Immerhin tragt Ihr noch meinen Paternoster am Herzen.«
    Jetzt errötete die Jungfrau und zog hastig den Rosenkranz aus ihrem Ausschnitt. Tatsächlich handelte es sich um sein verloren geglaubtes Erbstück.
    »Ich wollte ihn zurückgeben«, meinte sie und zog ihn über den Hals, um ihm das Stück zu reichen. Er griff danach, doch nur, um ihre Hand wieder darum zu schließen. »Und ich will, dass

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