Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Mädchen und der Schwarze Tod

Das Mädchen und der Schwarze Tod

Titel: Das Mädchen und der Schwarze Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Falkenhagen
Vom Netzwerk:
entlassen hatte, und ihn als einen seiner Meisterschüler bezeichnet. Und doch – sosehr sich Notke um dieses Gemälde bemüht hatte, insgeheim hatte er sich von Anfang an gewünscht, der Kirchenvorstand hätte eine Darstellung von Maria Selbdritt, also Maria mit dem Jesuskind und ihrer Mutter Anna, oder Mariä Empfängnis gewünscht. Da wusste er, was die Leute sehen wollten, wie die Figuren anzuordnen waren, was für Symbole man ihnen zuordnete. Bei dem Totentanz mangelte es Notke in gewisser Weise am richtigen Zugang – und das machte die Anfertigung zu einer Herausforderung.
    Notke griff nach einem Beutel mit Pigmenten, um den Inhalt mit Leinöl, Ei und Wasser zu einer fetten Tempera zu vermengen. »Ihr seid aber fröhlich, Meister, was?«, lächelte der Gehilfe Sievert, nachdem er den Rahmen sorgfältig befestigt hatte.
    Notke sah auf. Er hatte an die bevorstehende Begegnung mit Jungfer Pertzeval gedacht und gar nicht gemerkt, dass er zu pfeifen begonnen hatte. Es irritierte ihn, dass sie die Kraft hatte, seine Laune innerhalb weniger Augenblicke so zu verbessern. »Du sollst mich doch nicht Meister nennen, Sievert. Wenn das einer der Zunftmeister hört …«
    »Die sind nur neidisch, weil Ihr besser seid, Herr. Trotzdem pfeift Ihr sonst nie bei der Arbeit. Schon gestern wart Ihr so wohl gelaunt, Herr. Hat Euch ein Weib unter den Rock gelassen?«
    »Sievert!«, protestierte Notke. »Als würdest du dich mit solchen Sachen auskennen.« Der Junge sah den Frauen noch nicht einmal nach, geschweige denn dass er bereits etwas mit ihnen anzufangen wüsste. Der Bursche zuckte linkisch mit den Schultern und blieb stumm.
    Laute und charakteristische Schritte hallten durch das Norderschiff und unterbrachen das Gespräch. Der bullige Anton Oldesloe machte einen großen Schritt und stieg über die provisorische Schranke.
    »Maler Notke!«, grüßte der Kaufmann und Ratsherr. Seine laute Stimme füllte die ganze Kirche aus. Oldesloe ergriff eine Hand des Malers und drückte sie fest zusammen, während er ihm mit der anderen auf die Schulter klopfte. »Endlich sehen wir Eure Gemälde in diesem alten Gemäuer, was? Hat ja auch lange genug gedauert!«
    »Herr Oldesloe, ich wusste nicht, dass Ihr so früh kommen würdet!«, presste Notke hervor, während er versuchte, unter dem Händedruck des kräftigen Mannes nicht in die Knie zu gehen. »Und wenn das Gemälde jemals fertig werden soll, dann müsst Ihr jetzt meine Hand loslassen!«
    »Wird schon nicht so schlimm sein, was?« Oldesloe ließ los und strich sich die Kleider glatt, die ein wenig feucht schienen. »Ich will das gute Stück doch endlich einmal in der Umgebung betrachten, in der es die nächsten Jahrhunderte zubringen wird, mein Lieber!« Er wirkte beinahe euphorisch.
    Natürlich merkte Notke, wenn jemand versuchte, ihm zu schmeicheln. Der Kaufherr stellte sich nicht einmal sonderlich geschickt dabei an. Schmunzelnd stellte Notke fest, dass es trotzdem funktionierte. Er strich sich erfreut das Haar zurück und wies auf das Bild. »Ihr könnt Euch so schon einen guten Eindruck davon machen, wie es wirken wird, wenn es erst einmal hängt. Vieles will noch einmal mit frischer Tempera überzogen werden, und bei manchen Tönen musste ich erst ausprobieren, wie sie sich auf Leinwand verhalten. Diese Art von Malerei auf einer so langen Leinwand ist noch recht neu. Aber glücklicherweise kann man bis zuletzt noch Korrekturen anbringen – je mehr Öl, desto länger.«
    »Ganz recht, mein Junge, ganz recht! Das sieht ja schon sehr vielversprechend aus!« Mit hinter dem Rücken gefalteten Händen trat der Kaufmann näher, um das Gemälde zu betrachten. »Nur die Farben könnten bei diesem Licht noch ein wenig strahlender sein, Notke! Das Rot und das Grün noch leuchtender; und mehr Gold – Gold kann es gar nicht genug geben! Dächer, Gewänder, Schmuck …«
    Notke fuhr sich verlegen durch die Haare. »Leuchtendere Farben? Ja, das habe ich auch schon gedacht. Hier in die Nordervorhalle dringt kaum einmal ein direkter Sonnenstrahl, und die Mosaikfenster verdunkeln das indirekte Licht noch. Doch mehr Farben kosten auch mehr Geld, ganz besonders Blau und …« Notke verstummte, als der Mann mit einer großen Hand abwinkte.
    »Papperlapapp! Macht Euch um die Farben keine Sorgen, Meister Notke. Habt Ihr bislang nicht immer alles bekommen, was Ihr brauchtet? Sagt meinem Gesellen Matthias Prütz einfach, wie viel Ihr von welchen Farben benötigt, und er wird sie Euch liefern!«

Weitere Kostenlose Bücher