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Das Mädchen und der Schwarze Tod

Das Mädchen und der Schwarze Tod

Titel: Das Mädchen und der Schwarze Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Falkenhagen
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»Aber ich denke, die Leute werden auch Trost finden. Denn was erhöht das Herz eines Lübeckers mehr als die Aussicht, dass der Papst und der Kaiser, die so hoch von sich denken, schließlich genauso vor den Tod treten müssen wie wir?«
    »So kann man es natürlich auch betrachten«, erwiderte Notke schulterzuckend. »Ihr werdet nicht enttäuscht sein, Herr Oldesloe.«
    »Hört, Notke«, Oldesloe legte dem Maler den Arm um die Schulter. »Ein Geschäftspartner organisiert eine neue Pestbruderschaft, die den heiligen Blasius als Mittler zu Gott verehrt, um das Angedenken der Verstorbenen zu ehren und für sie zu beten.«
    Notke kannte die Bruderschaften, die dem Gedenken der Verstorbenen galten, doch er hatte noch nie von einer gehört, die unter dem Patronat des heiligen Blasius stand. In jedem Fall waren solche Bruderschaften aber mehr als bloße Absicherungen für das Nachleben – wer es zu etwas bringen wollte, musste ihnen angehören. Sie schmiedeten starke Bande, die sogar über die Schranken der Zunftzugehörigkeit hinwegreichten.
    »Ich würde Euch dort gerne empfehlen. Diese Bruderschaft ist keine gemeine – sie nimmt Mitglieder nur auf Empfehlung auf. Wir legen viel Wert auf die Treue unserer Brüder.«
    »Euer Vertrauen ehrt mich, Ratsherr.« Von Anton Oldesloe in eine Bruderschaft gelobt zu werden war ein großer Schritt in die Lübecker Gesellschaft. Zwar handelte es sich dabei nicht um die Zirkelgesellschaft, die Vereinigung der machtvollsten Familien der Stadt, doch diese Blasiusbruderschaft wäre ein Anfang. »Wie kann ich Euch dafür danken?«
    »Macht Euch keine Sorgen. Uns fällt da schon etwas ein, Notke«, lächelte Oldesloe breit. »Wir sehen uns also am Sonntag, damit Ihr der Bruderschaft den Treueid leisten könnt. Wartet nach der Messe beim Dom im Fegefeuer.«
    »Fegefeuer?«, fragte eine zarte Frauenstimme. Die beiden Männer wandten sich um. Im Durchgang vom nördlichen Kirchenschiff in die Kapelle standen Anton Oldesloes hübsche Tochter Lyseke und Marike Pertzeval mit zwei Mägden vor der Schranke und äugten neugierig in die Beichtkapelle.
    »Wer kommt ins Fegefeuer?«
    »Hoffentlich niemand!« Oldesloe zwinkerte Notke zu.
    »Jungfer Lyseke. Jungfer Marike.« Der Maler nickte den beiden jungen Frauen zu, die ihrerseits den Kopf senkten und das Knie leicht beugten.
    »Herr Notke«, grüßte Marike Pertzeval höflich.
    Bernt Notke gefiel, wie sie seinen Namen aussprach. Überhaupt erfreute er sich an der Gegenwart der jungen Frau mehr, als er sich bislang eingestanden hatte. Zwar war die blond gelockte Freundin eher das, was man eine gefällige Schönheit nennen würde, doch Lyseke war auch schüchterner und beinahe ein wenig gutgläubig. Ihre Magd – ein dürres und sprunghaftes Ding – beäugte ihn hingegen ein wenig unkeusch. Marike Pertzeval wirkte trotz rotblonder Haare und Sommersprossen ernster und nachdenklicher. Ihre klaren blauen Augen wiesen eine ganz merkwürdige Intensität auf, die ihn mit dem hellen Strahlenkranz um die Iris an das Funkeln der Sterne erinnerten. Sie wirkte stets ein wenig gedankenverloren, fand Notke, der einen Blick für Gesichtszüge besaß. Doch das war wohl kein Wunder – jeder in Lübeck wusste, dass ihr Vater totkrank war.
    »Apropos Fegefeuer – Kind, wir haben noch etwas zu besprechen!«, brummelte Anton Oldesloe gut gelaunt und stieg über die Schranke zurück in das Kirchenschiff. Diese Ankündigung ließ seine Tochter Lyseke abwechselnd rot und blass werden.
    »Jungfer Marike – meine Verehrung. Notke, denkt an meine Worte! Grandios!«
    Lyseke wollte schon über die Schranke steigen, doch sie hielt inne. Dann huschte sie noch einmal herüber, um erst die Jungfer Pertzeval hastig zu drücken und dann einen Knicks vor Notke zu machen. Dabei flüsterte sie ihm leise zu: »Wenn Ihr sie treffen wollt, kommt morgen Abend in den Rovershagen, Herr Notke!« Sie wies mit dem Kopf leicht in Marikes Richtung.
    Notke traute seinen Ohren kaum. Befand sich dieser Fachwerkgang nicht im Viertel der Seeschiffer? Dieser Ort gehörte sicher nicht zu den Gegenden, in denen sich eine um ihren Ruf besorgte Lübecker Kaufmannstochter abends aufhalten sollte. Und wenn Lyseke ihn mit Marike verkuppeln wollte – war der Zunftmeister Lynow dann endgültig abgelehnt worden? Der Maler nickte Lyseke dankbar zu.
    Also blieb Notke mit Marike Pertzeval und deren Magd allein zurück, nur durch die Latte zwischen den breiten Pfeilern getrennt, er in der Beichtkapelle, die

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