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Das Mädchen und der Schwarze Tod

Das Mädchen und der Schwarze Tod

Titel: Das Mädchen und der Schwarze Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Falkenhagen
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aufhalf und ihm schon schulterklopfend gratulierte. Nach einigen Augenblicken sah er Oldesloe sowie einen schmalen Priester, dessen Haupt noch immer von einer schwarzen Kapuze verborgen war.
    »Sei willkommen, Bruder«, sagte der Geistliche nun, dessen Stimme dem Maler vage vertraut vorkam. Notke nickte erfreut und gab ihm wie beim Vertragsabschluss die Hand, auch wenn er sich wunderte, dass der Priester es vorzog, unerkannt zu bleiben.
    Notke sah sich um. Mit den dreien war der kleine Raum, in dem sie sich befanden, auch schon mehr als überfüllt. Als er durch die beinahe blickdichten Eisengitter lugte, entfuhr ihm ein Laut des Erstaunens. Er befand sich in der Marienkirche, kaum zehn Ellen von seinem Totentanzgemälde entfernt! Von dort wurde nun auch die Tür der winzigen Kapelle geöffnet.
    »Glückwunsch, Bruder«, sagte Lynow grinsend und trat beiseite, um den Geistlichen durchzulassen, der nun aus der Kapelle trat. »Willkommen in der Herde!«
    »Ich dank Euch«, erwiderte Notke mechanisch und begutachtete die Ausstattung der kleinen Kapelle der Oldesloes. An der östlichen Wand stand ein goldgeschmückter Altartisch, der eine der kunstvollsten Klappretabeln enthielt, die Notke je gesehen hatte. Das Retabel stellte den heiligen Blasius dar, der den Schweinekopf in der Hand hielt. Darum herum standen Wachskerzen, eine kleine Kohleschale, in der Kräuter verbrannten, einige altersgrüne Kupferschalen mit punzierten Mustern, in denen sich Milch, Erde und gemahlenes Horn befanden. Unter die Milch war offenbar noch etwas gemischt worden, denn darin schwammen kleine dunkle Bröckchen. Vor dem Retabel in der Mitte lag, von Efeu umwunden, ein Buch aus dunklen Holztafeln, in das Zeichen und Gestalten eingeritzt waren. Eine davon erregte sofort Notkes Aufmerksamkeit, denn es war eine schreckliche Kreatur. Was er sah, war ein kunstvoll gearbeiteter gehörnter Mann, dessen nackter Leib unterhalb des Bauchnabels in einen Schlangenkörper überging. Das grimmige Gesicht trug einen langen Bart, der gemeinsam mit dem gedrehten Gehörn den Eindruck eines Ziegenbocks hervorrief. Insgesamt erschien der Altar Notke als eine ziemlich krude Mischung merkwürdiger Opfergaben. Waren dies christliche Altargaben? Doch wenn ein Priester keinen Anstoß daran fand, dann hatte das wohl seine Ordnung.
    Ein tauber Schmerz auf der Stirn erinnerte den Maler an die Zeremonie. Als er vorsichtig darübertastete, fand er ein winziges Holzstück, das ihm in der Haut steckte. Er zog es vorsichtig heraus und hoffte, dass nichts zurückgeblieben war, damit der Ratscher nicht vereiterte. Mochte dies kleine dunkle Ding wirklich ein Splitter vom Heiligen Kreuz sein? Der Gedanke war Ehrfurcht gebietend.
    »So, jetzt wollen wir mal dieses heilige Kistlein verlassen!«, grinste Oldesloe. »Mit mehreren Leuten komme ich mir immer vor wie ein verdammter Stockfisch im Fass!« Also drückten sie sich nacheinander aus der Oldesloekapelle und standen damit vor Notkes Totentanz. In der Ecke lag Sievert, der Malergeselle, offenbar über einem Krug Bier eingenickt. Empört schritt Notke hinüber. »Sievert, Mann! Wach auf! Dir werd ich was erzählen! Aufgewacht!«
    Doch Oldesloe lachte nur. »Ich hab ihm in Eurem Namen einen Krug Bier mit Schnaps und einem Extrakt von Johanniskraut und Stechapfel schicken lassen, den unser lieber Bruder hier empfiehlt. Der wird schlafen und träumen wie ein Neugeborenes – und zwar lange.«
    Notke glotzte den Ratsherren an, der gerade bekannte, seinen Gesellen vergiftet zu haben, als handele es sich dabei um einen Dummejungenstreich. »Ah«, machte Notke nur, halb empört, halb fasziniert. Eine solche Dreistigkeit musste man beinahe bewundern. Er hoffte, Sievert würde keine Kopfschmerzen zurückbehalten.
    »Gibt es eigentlich noch mehr von uns? Immerhin sollte ich doch wissen, wem ich gerade meine Treue geschworen habe, oder?«
    »Einige werdet Ihr bald treffen, keine Sorge. Und wen Ihr nicht kennt, der wird sich auszuweisen wissen.«
    Notke nickte nur. Offenbar traute die Bruderschaft ihm noch nicht ganz, und das, obwohl er gerade Loyalität geschworen hatte.
    »Können wir jetzt bitte zu den wichtigen Dingen des Abends kommen?«, schnaubte Lynow. »Der verdammte von Calven sammelt Stimmen, um den Hafen und die Märkte zu schließen! Und das, wo ich auf eine große Lieferung Falunsches Eisen warte! Ich kann es mir nicht leisten, dass die Schiffe aus Schweden bis an unsere Küste kommen, nur um dann kurzerhand in Rostock ausladen

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