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Das Mädchen und der Zauberer

Das Mädchen und der Zauberer

Titel: Das Mädchen und der Zauberer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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anderes, René«, sagte Coulbet ernst, »ob sich jemand blitzartig verliebt, oder ob jemand blitzartig aus dem Bett geworfen wird. Dir fehlt anscheinend jegliche Fantasie, sich Josephines Schock vorzustellen. Ihren tiefen seelischen Riß.«
    »Sie wußte, daß wir nie heiraten würden.«
    »Trotzdem warst du für sie das Liebste und Höchste auf dieser Welt. Das hat man nun zerstört.«
    »Sag mal, bist du Josephines Anwalt, Robert?«
    »So gesehen – ja. René, laß ihr Zeit. Dieser ganze Zirkus von Voodoo trifft uns doch nicht. Da lachen wir doch drüber.«
    Wütend hatte Birot aufgelegt. Coulbets Worte waren durchaus keine Beruhigung.
    Aber nun war drei Tage lang nichts mehr geschehen, und René wagte es, Petra allein im Haus zu lassen.
    Sie benutzte die Zeit, ihr neues Zuhause endlich einmal in Ruhe anzusehen. Sie ging durch alle Räume, von den Vorratsräumen bis unter das Dach, blickte durch eine Dachluke über die abseits liegende Fabrik und die verstreuten bunten Holzhäuser der Arbeiter mit ihren Gärtchen und Ställen und beschloß, sich diese Siedlung, die ja auch René gehörte und die er ihr am nächsten Sonntag zeigen wollte, nun allein anzusehen.
    In der Fabrik rasselten die Maschinen, als sie daran vorbeikam. Die Arbeiter, denen sie begegnete, zogen die Mützen und grinsten breit, was Höflichkeit und Wohlwollen ausdrücken sollte. Auch die Frauen und die Alten, die vor den Häusern oder in den Gärten saßen, nickten ihr zu, die Kinder liefen zusammen und starrten sie an. Das ist sie also, die neue Madame! Tatsächlich, sie hat goldene Haare! Von ganz weit her kommt sie. Wie sie allen zulächelt, gar nicht stolz. Sie muß eine gute Madame sein, da hat Babou schon recht.
    Vor dem rosa gestrichenen Holzhaus blieb Petra stehen. Ein Mädchen saß auf der hölzernen Treppe, die zur Eingangstür führte und starrte sie mit großen schwarzen Augen an. Ihre langen schmalen Hände kneteten unruhig einen Zipfel ihres bunt bedruckten, langen Rockes, wie sie von den Kreolinnen gern getragen werden. Welch ein schönes Mädchen, dachte Petra unwillkürlich. Sie nickte ihm zu, aber das Mädchen gab keine Antwort.
    Nun habe ich sie vor mir, dachte Josephine in diesem Augenblick. René ist nicht da, ich kann sie umbringen und wegbringen, und niemand hier, auch wenn es alle sehen, wird mich verraten. Sie werden schwören, Madame nie im Dorf gesehen zu haben. Und alle Probleme sind gelöst. Auch Coulbet wird ins Leere rennen …
    Josephines Augen, ihr starrer Blick, hielten Petra fest. Anstatt weiter durch das Dorf zu gehen, kam sie auf das rosa Haus zu und blieb nahe vor Josephine stehen.
    »Guten Tag!« sagte Petra und lächelte wieder. »Sie haben ein schönes Haus.«
    »Ja«, antwortete Josephine knapp. Es klang, trotz ihrer hellen Stimme, etwas rauh. Sie duzt mich nicht, dachte sie, wie es sonst alle Herrinnen tun bei Negern und Kreolen. Sie will zeigen, daß sie Achtung vor jedem Menschen hat, auch wenn er nicht ihre verdammte weiße Farbe hat. Wie raffiniert sie das macht, aber mich fängt sie damit nicht ein.
    Ich hasse dich, ich hasse dich, ich hasse dich! Sieh dir nur alles hier an. Du wirst wenig Freude dran haben. Und nur eine kurze Zeit.
    »Ihr Vater arbeitet drüben in der Fabrik?« fragte Petra.
    »Ich habe keinen Vater mehr. Auch keine Mutter. Das ist mein Haus!« Sie erhob sich, strich den Rock gerade und zog die Bluse straff über ihre schönen Brüste. »Wollen Sie es besichtigen?«
    »Wenn ich darf.«
    »Ich lade Sie ein, Madame.«
    Josephine ging voraus, riß die Tür auf und ließ Petra an sich vorbei ins Haus treten. Im Türrahmen blieb sie stehen und überlegte, ob sie die Tür offen lassen sollte oder hinter sich verriegeln.
    Ich mache sie zu, dachte sie. Es kann sein, daß sie schreit, wenn ich sie töte. Es muß schnell gehen, sie darf es fast gar nicht merken, es muß lautlos sein. Früher nahm man dafür eine Schlinge, warf sie von hinten schnell über den Kopf und zog zu. Ein bißchen Zappeln, ein verröchelndes leises Stöhnen, das war alles. Nur mußte man kräftige Arme haben und harte Hände. Du blonder Engel, ich habe gute Arme!
    Josephine schloß hinter sich die Tür und lehnte sich dagegen.
    Durch das Fenster mit der Spitzengardine – eine Spitzengardine ist der größte Stolz einer kreolischen Hausfrau – fiel das Sonnenlicht wie gefiltert in feinen, glitzernden Streifen und erhellte den Raum nur mäßig. Dieses Halbdunkel war kühler als die Luft draußen.
    Was nehme ich,

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