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Das Mädchen und die Herzogin

Das Mädchen und die Herzogin

Titel: Das Mädchen und die Herzogin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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trotzdem so lieblich. All die Wiesen und lichten Wälder! Zu jeder Jahreszeit zeigt sie ein anderes Gesicht.»
    «Ja», stimmte Dietrich ihr zu. «Und eines ist hübscher anzusehen als das andre.»
    Sabina seufzte. «Für ein Leben hier draußen könnte ich auf meinen gesamten Stuttgarter Hofstaat verzichten. Diese würzige Bergluft, dieser Duft der Tannen und Wacholderbäume! Urach gefällt mir auch. So klein es ist, es wirkt hübsch und wohlhabend.»
    «Und die Leute hier sind alles Dickköpfe!», lachte Dietrich hinter ihr. «Unnachgiebig und knorrig wie das Holz, das sie uns in die Hauptstadt liefern. Aber Ihr habt schon recht, es ist ein guter Flecken zum Leben.»
    «Was denkt Ihr – hätte es Aussicht auf Erfolg, wenn ich den Herzog bitte, mir Urach als Wittumsgut zu übertragen? Anstelle der Ämter Waiblingen und Winnenden selbstverständlich, mit allen Nutzungsrechten und Einkünften. Den Zoll von Göppingen würd ich noch dazugeben.»
    «Ich fürchte, eher würde der Herzog mich zum Uracher Obervogt ernennen, als sich auf einen solchen Handel einlassen. Das hier ist eines der größten und reichsten Ämter im Herzogtum.»
    «Schade.»
    «Am schönsten wäre allerdings beides», flüsterte er ihr ins Ohr. «Ihr als Pfründnerin und ich als Obervogt in Urach.»
    Bildete sie es sich ein oder spürte sie tatsächlich Dietrichs Hand an ihrem Nacken? Bevor sie noch tiefer in ihre Träumereien versinken konnte, fand der gemütliche Teil ihrer Schlittenpartie ein jähes Ende. Ulrichs Pferd fiel plötzlich in gestreckten Galopp, sogleich heftete sich ihm unter lautemGebrüll der Braunschweiger an die Fersen, und schon verschwanden die beiden Schlitten in einer Schneewolke. Die drei Reitknechte beeilten sich, hinterherzupreschen.
    «Sie sind toll geworden», murmelte Sabina, während Dietrich alle Mühe hatte, sein eigenes Pferdchen zu halten. Kurz darauf war von den beiden Schlitten nichts mehr zu sehen. Der Weg vor ihnen, der in einer langgestreckten Kehre bergwärts in den Wald führte, lag leer und verlassen, nur der aufgewühlte Schnee zeugte von dem irrwitzigen Rennen. Dann, nach einigen Augenblicken der Stille, hörten sie aus weiter Ferne erschrecktes Wiehern und Geschrei und ein trockenes Krachen. «Mein Gott!», schrie Reuchlins Frau Anne. «Johannes, mein Johannes!»
    Eine schier endlose Zeit später hatten sie die Unglücksstelle erreicht: Der Schlitten des Braunschweigers stak in einer Schneewehe, Reuchlin, mit blutender Stirn, hielt die schluchzende junge Gräfin neben sich im Arm, während Herzog Heinrich mit des Stallmeisters Hilfe versuchte, das Pferd aus dem Tiefschnee zu befreien.
    Dietrich hielt neben ihnen, und alle vier kletterten sie gleichzeitig vom Schlitten, die Damen in heller Aufregung. Dem Himmel sei Dank war aber wohl niemand ernsthaft verletzt.
    Der andere Schlitten lag ein Stück weiter vorn, umgestürzt am Wegesrand – mit zerbrochener Deichsel und erschreckend nahe am Abhang. Jetzt sah Sabina auch, wie auf der Lichtung vor ihnen die Reitknechte dabei waren, das entflohene Kutschpferd einzufangen.
    Wo aber steckten Ulrich und Ursula?
    Während die Männer mit vereinten Kräften den Schlitten Zoll für Zoll frei bekamen, glaubte Sabina ein Kichern zu hören. Es drang aus einem zugeschneiten Unterstand derWaldarbeiter, nur einen Steinwurf entfernt. Sie stapfte durch den Tiefschnee, folgte den Fußspuren, die um den Schuppen herum und schließlich hineinführten in den zum Windschatten hin offenen Unterschlupf.
    «Nun lass dich endlich trocken reiben, du kleine Raubkatze.» Es folgte Gekicher.
    «Das gefällt dir, was? Wirst sehen, dein Hänschen hab ich bald so weit, dass er des Abends mal nicht zu Hause ist.» Sie hörte ihn leise aufstöhnen. «Dann schenk ich euch ein schönes neues Haus in der Vorstadt, wo ich dich besuchen kann, ohne dass dein Vater und deine Brüder jedes Mal Spalier stehen. Ein Haus mit einem goldenen Bett, nur für uns beide.»
    Sabinas Auge hatte sich längst ans Halbdunkel gewöhnt. Hell schimmerten Ursulas schlanker Hals, ihre entblößten Brüste, Ulrichs Hände, die ihre Hüften hinabglitten, ihre Lippen, die sich in einem leidenschaftlichen Kuss vereinten.
    Sie stand da und starrte. Als Gerücht nur hatte sie es bisher vernommen, was sie nun mit eigenen Augen sehen musste. Da war es also, das Weib, bei dem Ulrich zu wahrer Hingabe und Lust fähig sein konnte. Es schmerzte mehr, als Sabina es sich je zugestanden hätte! Und zugleich zerbrach in ihr der

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