Das Mädchen und die Herzogin
allerletzte Rest Hoffnung auf ein auch nur halbwegs zufriedenes Leben als Gemahlin an Ulrichs Seite.
Hinter ihr raschelte es. «Herzog Heinrichs Schlitten ist fahrbereit. Ihr könnt –»
Sabina fuhr herum, sah in Hans von Huttens aufgerissenen Mund, was ihn jetzt vollends wie einen einfältigen Tropf aussehen ließ.
«Hättest besser auf deine Frau aufgepasst, du Maulaff», zischte sie ihm zu und kämpfte sich durch den Schnee zurück zum Schlitten.
«Fahren wir», befahl sie dort.
«Wollen wir nicht auf den Herzog warten?», fragte Dietrich, während die Damen Platz nahmen.
«Nein. Der amüsiert sich auch ohne uns.»
Nach diesem Zwischenfall musste Sabina sich zwingen, zur Mittagsmahlzeit im Speisesaal zu erscheinen. Die Tafeln dort waren allerdings ohnehin nur lückenhaft besetzt: Neben dem Herzog fehlten auch Land- und Haushofmeister, Canzler und Landschreiber sowie alle übrigen in Urach anwesenden Ratgeber. Aber auch die Stühle des Stallmeisters Hans von Hutten und seiner Frau waren leer. Es hieß, sie seien vorzeitig nach Stuttgart heimgekehrt. Kaum war die Suppe aufgetragen, erhob sich auch noch Herzog Heinrich von der halbleeren Fürstentafel, mit der Entschuldigung, ihn schwindle es im Kopf. Da ließ Sabina die verloren vor sich hin starrende junge Gräfin in ihre Frauenrunde holen.
«Es tut mir von Herzen leid, das mit der Schlittenpartie.» Sabina reichte ihr die Hand. «Dabei hätte es ein fröhlicher Abschluss Eures Hochzeitsfestes werden sollen. Es ist alles meine Schuld.»
Maria schüttelte den Kopf. «Nein, nein. Es lag nur an diesem unglückseligen Wettrennen.»
«So ist es», pflichtete Reuchlins junge Frau ihr bei. «Und dieser Einfall ist auf dem Mist aller unserer Männer gewachsen. Das hat sogar mein Johannes zugeben müssen.»
«Wie geht es dem Doctor?», fragte Sabina.
«Das an der Stirn ist nur ein Kratzer. Nicht so arg jedenfalls, als dass er nach der Schlittenfahrt nicht an der Ratsversammlung hätte teilnehmen können.»
«Wisst Ihr, worum es bei dieser Beratung geht?»
«Johannes spricht höchst selten mit mir über diese Dinge.»
«Wisst Ihr es?», wandte sie sich an Margretha Spethin.
«Ich habe nur gehört, dass es keine sehr angenehme Angelegenheit sei – für unseren Herrn Herzog, meine ich.»
«Was erdreisten sich unsere Männer eigentlich?», entfuhr es Sabina. «Da unterbrechen sie den letzten Tag einer Hochzeitsfeier wegen irgendeiner Besprechung, und weder die Braut noch wir anderen Frauen wissen, worum es da so Wichtiges geht. Da haben ja die Bäuerinnen auf dem Dorf mehr mitzureden bei ihren Mannsbildern!»
Erst zum abendlichen Festbankett bekam man die herzoglichen Räte wieder zu Gesicht. Vor der Flügeltür zum Speisesaal stieß Sabina beinahe mit Dietrich Speth zusammen.
«Ist Eure Sitzung endlich beendet?»
Der Ritter lächelte. «Gerade rechtzeitig zum Abschlussbankett. Wobei ich fürchte, dass unser Herzog heute keine rechte Freude am Feiern und Tanzen haben wird. Margretha lässt sich übrigens entschuldigen. Ihr steckt der Schrecken mit der Schlittenfahrt wohl doch tiefer in den Knochen, als sie dachte.»
«Mir ebenfalls», entfuhr es Sabina, und sie bereute es sofort. Als Herzogin durfte sie keine Schwäche zeigen, und vor Dietrich Speth schon gar nicht. Wie viel er wohl bemerkt hatte von Ulrichs Schamlosigkeiten in der Waldhütte? Wie viel hatten die anderen davon mitbekommen?
Dietrich Speth nickte unmerklich, als könne er ihre Gedanken lesen, dann reichte er ihr den Arm. «Darf ich Euch hineingeleiten?»
Stattdessen zog Sabina ihn in eine der Fensternischen des Empfangssaals. Noch etwas anderes ließ ihr keine Ruhe.
«Bitte sagt mir frank und frei, als Eurer Herrin und Fürstin, worum es bei der Ratsversammlung ging.»
Er betrachtete ihre Hand, die Sabina jetzt langsam von seinem Arm nahm, dann erwiderte er leise:
«Ich würde ja liebend gerne über andere Dinge mit Euch reden, meine Herrin und Fürstin – aber sei’s drum. Ihr könnt Euch denken, dass die herzogliche Kassa mit dem Beilager der jungen Gräfin erst recht auf den Hund gekommen ist. Und nun war Ulrich tatsächlich drauf und dran, Löwenstein zu verpfänden, um die restliche Morgengabe begleichen zu können. Auf eigene Faust und ohne Absprache. Für die Landschaft wäre das der Funken im Pulverfass gewesen, denn das geht eindeutig gegen den Tübinger Vertrag. Im letzten Moment konnten wir das noch geradebiegen.»
Speth unterbrach sich, da Erbmarschall Thumb von
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