Das Mädchen und die Herzogin
unterbrach sich und schüttelte den Kopf. «Ihr wisst gar nicht, wie ich mich gesorgt habe um Euch! Von jenem letzten Augenblick im Tanzsaal an hatte ich an nichts andres gedacht als daran, wie es Euch wohl ergeht.»
Sabina stieg die Schamröte ins Gesicht. «Ich komme ganz gut zurecht, danke.»
Der Ritter stand noch immer zwischen Tür und Angel ihres Frauenzimmers, der Wächter hatte sich diskret einige Schritte in den Hintergrund verzogen. Sabina nahm die Papierrolle entgegen, ohne Dietrich hereinzubitten, und dankte ihm in höflichen Worten für seine Kurierdienste.
«Im Übrigen halte ich es für das Beste», sagte sie leise, «wenn wir uns in nächster Zeit nicht mehr begegnen. Richtet das bitte auch Eurer lieben Frau aus. Ihr versteht gewiss, dass ich mich angesichts meines fortgeschrittenen Zustandes schonen muss.»
Dann ließ sie, ein freundliches Lächeln im Gesicht, den verdutzten Freund durch den Türwärter hinausführen, schaffte es eben noch, leise die Tür hinter sich zu schließen, bevor sie in haltloses Schluchzen ausbrach. Wie hatte sie nur so kalt sein können, bei allem, was sie und Dietrich inzwischen verband. Es musste an dieser Schwangerschaft liegen, dass sie so durcheinander war in letzter Zeit. Und dazu noch ständig am Heulen!
Sie hatte eben das Siegel erbrochen, als sich erneut ein Besucher anmeldete: zu allem Überfluss der Stallmeister Hansvon Hutten. Seit der Uracher Hochzeit hatte sie ihn nicht mehr gesehen und hätte sich auch jetzt am liebsten verleugnen lassen, doch da kam er schon hereingestürmt. Das lange blonde Haar hing ihm wirr um den Kopf, bleich und eingefallen wirkte sein hübsches Gesicht.
«Eigentlich wollte ich mich gerade zur Mittagsruhe zurückziehen», sagte sie kühl.
«Ich flehe Euch an, Euer Hochwohlgeborn! Schenkt mir nur eine Minute Eurer Zeit.»
Widerwillig ließ sie ihn eintreten und bat ihn, Platz zu nehmen. Stattdessen fiel Hans von Hutten tatsächlich auf die Knie vor ihr. In seinen bernsteinfarbenen Augen glänzten Tränen.
«Ich bin gekommen, um mich, wenn auch viel zu spät, für das Verhalten meiner Gemahlin zu entschuldigen! Ursula ist kein böser Mensch, glaubt mir, und dabei ist sie mir auch von Herzen zugetan. Aber so jung ist sie noch, so unbedarft, so schwach auch –»
«Schweigt und steht auf! Macht Euch nicht lächerlich. Eure Ursula schert mich einen Fliegendreck.»
«Aber – könnt Ihr wenigstens
mir
verzeihen? Glaubt mir, ich werde der Misere ein Ende setzen, das verspreche ich Euch! Mein Vater hat mir geschrieben, einen langen Brief, und mir darin geraten, meine Stellung bei Hof aufzukündigen und mit meiner Frau aus Stuttgart wegzuziehen.»
«Dann ist das Geschwätz also schon bis ins Fränkische gedrungen!»
«Mein – mein Bruder Ludwig hat ihm davon berichtet.»
«Was gedenkt Ihr also zu tun?»
«Mein Vater hat gewiss recht, und so schwer es mir fällt, so werde ich doch mit Ursula von hier fortgehen müssen. Gleichwohl darf ich nichts überstürzen. Vater hat sich zwar bereitsumgesehen nach einer entsprechenden Position für mich, hat wohl auch zwei, drei Eisen im Feuer, aber so lange muss ich noch zuwarten. Hinzu kommt, dass mein Vater zehntausend Gulden gezahlt hat für meine Stellung hier bei Hofe, und die gibt es nicht zurück, wenn ich in Zwietracht gehe. Aber sorgt Euch nicht. Allzu lange wird es nicht dauern. Und bis dahin will ich dem Herzog klarmachen, dass er mich als Freund und Getreuen für immer verlieren wird, falls er nicht –» Hans von Hutten verstummte.
«Dein Wort in Gottes Ohr!», murmelte sie. Dann bat sie den Stallmeister zu gehen, mit der Versicherung, dass sie keinen Groll gegen ihn persönlich hege. Völlig erschöpft fühlte sie sich, als sie sich endlich in ihren Lehnstuhl fallen ließ und die wenigen Zeilen ihres kaiserlichen Oheims überflog.
Mit
Mein geliebtes Schwesterkind
redete er sie darin an und tat in blumigen Worten kund, wie sehr er sich zunehmend sorge um sie, nach allem, was man über ihre Ehe höre. Gleichwohl sei er sich sicher, dass seine offenen Worte an Ulrich auf fruchtbaren Boden fallen würden. Ausdrücklich habe er den Herzog in seinem Schreiben gemahnt, er solle seine Gemahlin in Liebe und Freundschaft halten, auch wenn der Mann das Gesetz der Frau sei und jene ihm Gehorsam schulde!
Selbst wenn es Deiner Liebden manchmal schwerfallen möge, so bleibe nur recht fest und stark, mein Kind,
schloss er,
und verliere niemals die Kontenanz. Die Liebe ist zwar eine
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