Das Mädchen und die Herzogin
Bruders auf Euch.»
Sabina nickte verwirrt.
«Gut! Nehmt nur eine Satteltasche mit dem Nötigsten mit. Der Wagen mit Eurem Gepäck wird später nachkommen. Und», er wich ihrem Blick plötzlich aus, «Eure Kinder ebenfalls. Ein Ritt durch die Nacht ist zu gefährlich.»
«Ich soll meine Kinder zurücklassen? Niemals!»
«Es ist doch nur für kurze Zeit. Meine Brüder werden sie holen kommen, sobald ich meine Leute beisammenhabe. Ihr könnt Euch denken, dass eine Kutsche viel schwerer zu schützen und zu bewachen ist als ein einzelner Reiter. Ich bitteEuch, Euer Gnaden: Richtet Euch und kleidet Euch warm ein. Ich werde derweil ein Pferd für Euch satteln lassen.»
«Nein! Ich geh nicht weg von hier ohne meine Kinder.»
«Ihr müsst! Ulrich ist nur noch wenige Meilen von hier, er kann jede Stunde eintreffen. Glaubt mir: Er holt Euch, um Euch in den Kerker zu sperren! Oder wollt Ihr Euren Kindern die Mutter nehmen?»
«Er hat recht, Sabina.»
Susanna war neben ihre Schwester getreten und sah sie beschwörend an. «Geh schnell und zieh dich um. Du darfst dir um die Kinder keine Sorgen machen. Ich bleibe bei ihnen und kümmere mich um sie. Ich werde sie im Ort verstecken, noch heute Abend. Und sobald es die Umstände erlauben, kommen wir alle zusammen nach München, in einer bequemen Reisekutsche, samt deinem Gepäck.»
Als sich ihnen wenig später das Tor in die klare, eisige Nacht öffnete, konnte Sabina kaum einen klaren Gedanken fassen. Sie hatte das schreckliche Gefühl, ihre beiden Kinder im Stich zu lassen. Aber hätte es denn einen anderen Ausweg gegeben? Sie musste Dietrich und ihrer Schwester vertrauen.
Einer der Wärter rannte ihr nach.
«Was sollen wir nun mit dem Mädchen machen?», fragte er.
Im ersten Moment wusste sie gar nicht, wovon er sprach, schließlich sagte sie: «Gebt ihr ausreichend zu essen und zu trinken und einen warmen Umhang. Morgen früh bringt ihr sie vor die Stadt.»
Dann gab sie ihrem Pferd die Sporen und sagte zu Dietrich, der neben ihr ritt: «Sie haben geschlafen, als ich mich von ihnen verabschiedet habe. Wenn sie erwachen, ist ihre Mutter fort.»
Sie begann zu weinen.
«Noch bevor das Jahr zu Ende ist, habt Ihr sie wieder, das versprech ich Euch», versuchte Dietrich zu trösten.
Vor den Toren der Stadt wartete ein Bauer auf sie, der sie über verschlungene Pfade durch die Wälder bis hinauf auf die Alb führte. Sie ritten die ganze Nacht hindurch, ein kleiner, schweigsamer Tross, jeder von ihnen mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt. Vor Sabina und Dietrich gingen zwei junge Ritter, die Sabina nicht kannte, hinter ihnen Dietrichs beide Brüder – sie alle hatten sich aus Ulrichs Diensten losgesagt und im Schwäbischen Bund gesammelt, wie die meisten Ritter im Land.
Erst als der Morgen graute, wagten sie, eine Rast einzulegen. Sie hatten inzwischen die Landstraße nach Ehingen erreicht, wo sie im Hause des kaiserlichen Rats Hans Renner von Allmendingen einkehren wollten und wo Sabina auf die Abordnung ihres Bruders warten würde. Renner, so hatte ihr Dietrich erklärt, sei nicht nur dem Kaiser, sondern auch den bairischen Herzögen und damit auch ihr, als Wittelsbacherin, treu ergeben. Überdies sei Renner mit ihm verwandt, man könne ihm also uneingeschränkt vertrauen.
«Der größte Teil des Weges liegt hinter uns», sagte Dietrich, als sie vor einer recht schäbigen Herberge absaßen. «Wenn Ihr wollt, könnt Ihr Euch für ein paar Stunden zum Schlafen hinlegen.»
«Nein, es geht schon. Wenn sich nur die Pferde ein wenig ausruhen. Mir reicht eine Kleinigkeit zum Essen.»
Wahrscheinlich gab es in dieser Spelunke kein einziges Bett, dachte sie, nur verlauste Strohsäcke. Da hielt sie schon lieber durch bis Ehingen.
«Gut.» Dietrich reichte ihr den Arm. «Dann wollen wir sehen, was uns der Wirt auftischen kann. Übrigens sollten wir uns nicht zu erkennen geben. Falls jemand fragt, könntenwir Euch als meine Frau ausgeben, wenn Ihr einverstanden seid.»
Sabina bemerkte die leichte Röte, die ihm bei diesen Worten ins Gesicht stieg und empfand, zum ersten Mal seit ihrer Flucht aus Nürtingen, wieder diese tiefe Wärme für Dietrich. Noch immer nagte die Sorge um Anna und Christoph an ihr, doch jetzt kam endlich die Erleichterung hinzu, Erleichterung darüber, endlich außer Reichweite Ulrichs zu sein und stattdessen an Dietrichs Seite.
«Ja», entgegnete sie. «Das wird das Beste sein.» Sie stockte. «Was ist mit Margretha? Geht es ihr wieder
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