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Das Mädchen und die Herzogin

Das Mädchen und die Herzogin

Titel: Das Mädchen und die Herzogin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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Dämmerung marschierten. Gerade als sie in der Ferne die hellerleuchteten Fenster einiger Häuser ausmachten, hörten sie wildes Hufgetrappel. Mindestens zwanzig Reiter näherten sich,einige mit Fackeln in den Händen, Männerstimmen riefen durcheinander, die lauteste war deutlich zu verstehen:
    «Zehn Mann Richtung Ulm, zehn Richtung Zwiefalten – sie können nicht weit sein.»
    Gütiger Gott im Himmel – das war Herzog Ulrichs Stimme! Auch Muthlein schien ihn erkannt zu haben und zerrte Marie über den Straßengraben in den Schutz niedriger Bäume. Aber es war zu spät.
    «Halt! Stehengeblieben!»
    Ulrich löste sich mit zwei bewehrten Reitern aus dem Trupp und sprengte auf sie zu.
    Sie rannten, so schnell sie konnten, Marie in ihren klobigen Holzschuhen, Muthlein im langen Priesterrock, doch dieses Wettrennen konnten sie nur verlieren. Mit einem Aufschrei stolperte Muthlein zu Boden, der Streich einer Reitpeitsche hatte ihn straucheln lassen. Marie blieb sofort stehen. Nun war alles zu Ende!
    Der Herzog sprang vom Pferd und ließ sich eine Fackel reichen. Dann pfiff er durch die Zähne.
    «Ein Pfaffe und sein Pfaffenhürchen! Was für ein Anblick!» Dann stutzte er und näherte sich Marie.
    «Dich kenne ich doch? Das nenne ich Glück: Die eine such ich und die andere hab ich gefunden. Umso besser.»
    Er packte sie am Handgelenk. «Los, aufsitzen. Du kommst mit mir.»
    In diesem Moment rappelte sich Muthlein auf und warf sich mit seiner ganzen Kraft gegen den Herzog.
    «Lasst das Mädchen los. Sie hat nichts getan.»
    «Elender Pfaffenschelm! Vergreifst dich an deinem Landesherrn!»
    Ulrich hatte alle Mühe, den Angreifer abzuwehren, und Muthlein ließ nicht los, bis einer der Begleiter des Herzogsseinen Schwertknauf gegen den Schädel des Pfarrers krachen ließ. Der sackte zusammen und blieb reglos liegen. Im Schein der Fackel sah Marie das Blut, das ihm über die Schläfe rann.
    «Ihr habt ihn totgeschlagen, ihr habt den Pfarrer totgeschlagen», schrie sie immer wieder, bis Ulrich ihr auf den Mund schlug.
    «Na und? Habt ihr Bauernpack nicht immer gegen die Pfaffen gewettert? Gebt mir einen Strick», befahl er seinen Begleitern, «und holt das Packpferd her.»
    Marie wehrte sich mit dem Mut der Verzweiflung, als ihr der Herzog Hände und Füße fesseln wollte. «Elende Hexe», hörte sie ihn fluchen, dann schlug etwas hart gegen ihren Hinterkopf, und alles um sie herum versank im schwerelosen Dunkel.
     
    Als Marie wieder halbwegs zu sich kam, lag sie auf einem schmalen Bett in einer Dachkammer. In ihrem Kopf dröhnte es wie in einer Hammerschmiede, und nur ganz langsam kehrte die Erinnerung zurück. Die Kehle schnürte sich ihr zusammen, als sie an Muthlein dachte. War er tatsächlich tot? Erschlagen, weil er sie hatte retten wollen? Wie konnte Gott so etwas zulassen?
    Eine raue Frauenstimme schreckte sie auf. «Bist du endlich wach?»
    Marie hielt die Luft an. Wo war sie? Wer war diese dürre, fremde Frau, die jetzt an ihr Bett trat, um ihr einen Becher mit Wasser zu reichen?
    «Trink. Ich hol den Herzog.»
    «Nein!»
    Mit einem Satz war Marie aus dem Bett. Dort hinten war eine Tür. Nur schnell weg hier, bevor er kam! Sie rütteltean der Tür, aber sie sprang nicht auf. Die Frau stieß ein keckerndes Lachen aus.
    «Die Tür ist ordentlich verriegelt. Und ein Wächter steht auch noch davor. Brauchst also gar nicht deine Kraft vergeuden.»
    «Wo bin ich?»
    «Fürstlich untergebracht bist du. Unterm Dach des Stuttgarter Burgschlosses. Und jetzt gib Ruhe.»
    Die Frau schlurfte zur Tür, die sich wie von Zauberhand öffnete und hinter ihr wieder schloss, und Marie war allein.
    Wie gern hätte sie sich auf das Bett geworfen und geweint. Aber sie hatte keine Tränen mehr, die sie hätte weinen können. So setzte sie sich auf den einzigen Stuhl und betrachtete stumm ihr Gefängnis. Der Raum war so groß wie Berthes gesamte elende Hütte und um einiges komfortabler. Der Boden bestand aus blitzblank gefegten Dielenbrettern, unter der Dachschräge stand ein Waschtisch mit irdener Schüssel und irdenem Krug, und statt eines Strohsacks gab es ein richtiges Bett, mit Laken und sauberer Decke! Zudem war es, trotz des eisigen Novemberwetters draußen, angenehm warm durch den Kaminschacht, der sich neben der Tür befand. Sicher war dies die Kammer einer Magd oder Dienerin – für Marie ein Prunkgemach, wäre da nicht die verriegelte Tür gewesen.
    Fieberhaft begann sie zu überlegen. Sie musste den Herzog davon

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