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Das Mädchen und die Herzogin

Das Mädchen und die Herzogin

Titel: Das Mädchen und die Herzogin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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begeben! Sie würde ihm sagen, dass sie das, was zwischen ihnen geschehen war, vergessen mussten. Dass es keine Liebe zwischen ihnen geben durfte.
    Von draußen drang das Geschrei tobender Kinder herauf. Wahrscheinlich lieferten sie sich eine Schneeballschlacht. Ihre kleine Anna liebte Schnee so sehr. Wie sie sich im letzten Winter mit ihrem Körper juchzend in jede Wehe geworfen hatte! Sabina sah das kleine runde Gesicht vor sich und spürte die Sehnsucht nach ihren Kindern wie Feuer brennen.
    Zu der Sorge und dem Trennungsschmerz um ihre Kinder kam, dass sie an Heimweh litt, obwohl sie doch heimgekehrt war. Alles hier war anders geworden, zumindest kam es ihr so vor. Auch wenn sich ihre Brüder, inzwischen erbitterte Feinde Herzog Ulrichs, rührend um sie kümmerten, war selbst ihre Familie ihr fremd geworden. Die Mutter war zu einer hinfälligen Greisin geworden, sie lebte nur noch für ihre tägliche Andacht, und an manchen Tagen schien sich ihr Geist zu verwirren. Wilhelm, der mächtige Baiernherzog, wirkte noch viel eigensinniger als früher und mitunter fast hochmütig. Und machthungrig war er! Dabei widmete er sich kaum weniger ausschweifend als Ulrich den fürstlichen Freuden der Kunst, der Jagd, des Turniers und des Tafelgenusses. Doch im Gegensatz zu ihrem Ehegemahl hatte Wilhelm mit Leonhard von Eck einen fähigen Mann zur Seite. Sabina hatte schon bald erkannt, dass dieser äußerst berechnende und ehrgeizigeMensch das Ruder in der Hand hielt und Wilhelm ihm in den Regierungsgeschäften inzwischen völlig freie Hand ließ.
    Nur ihr Bruder Ludwig hatte sich einen Teil seines unbekümmerten Wesens bewahrt. Auch als Regent über Landshut blieb er der gutmütige Genussmensch, ohne Ehrgeiz zu größeren Geschäften, und wurde immer dicker. Viel zu selten kam er nach München herüber. Dann ritten sie zusammen aus, bei Wind und Wetter, ganz wie früher. Und doch war es nicht das Gleiche. Lag es daran, dass ihr die schwäbischen Hügel fehlten, mit ihren Weingärten, Obstwiesen und Wäldern? Und München selbst – war es in den Gassen der Stadt früher nicht viel lebhafter und ungezwungener zugegangen? Bettler und fremde Kinder wurden jetzt aus der Stadt gewiesen, an Sonn- und Feiertagen durfte niemand mehr die Kirche barfuß betreten, die Gassen waren neu gepflastert, nirgends sah man mehr Schweine und Federvieh frei herumlaufen. Früher hatten die Menschen gelacht und gegrüßt, wenn sie jemandem aus der fürstlichen Familie begegneten. Jetzt neigten sie ehrfurchtsvoll die Köpfe. Und ihr Landesherr wohnte wie ein Kaiser in der neuen Residenz, die nach und nach aufs prächtigste erweitert worden war. Gerade zum Trotz hatte Sabina darauf beharrt, ihre Gemächer im Alten Hof zu beziehen, der inzwischen nur noch Collegien und Bibliothek und hin und wieder Gäste beherbergte. Dort wenigstens fand sie Vertrautes. Nicht selten zog sie sich ganz allein in das hübsche Erkerzimmer zurück und dachte an jene fernen Jahre zurück, als sie hier mit den Eltern und Geschwistern Karten gespielt hatte.
    Sie wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. Plötzlich musste sie an die gute alte Lioba denken, die ihr immer gepredigt hatte, schlechte Gedanken vertreibe man am besten an der frischen Luft. Kurz entschlossen läutete sie nach derKammerjungfer und ließ sich Mantel und Pelzkappe bringen.
    Während sie durch den verschneiten Hofgarten stapfte, erwachte ihr Kampfgeist. Mochte sie auch nur ein winziges Rädchen in diesem Räderwerk der Macht sein, so würde sie dennoch nicht duldsam abwarten, was die Männer um sie herum entschieden. Auch für eine Frau gab es Wege und Mittel, sich Gehör zu verschaffen. Aller Welt würde sie darlegen, warum sie ihrem Land den Rücken hatte kehren müssen. Dass ihr keine andere Wahl geblieben war, da sie von Ulrich an Leib, Ehre und Leben bedroht war. Und dass sie alle honorigen Männer im Reich dazu aufrufe, Ulrichs Absetzung zu unterstützen, damit Christoph als rechtmäßiger Thronfolger in Vormundschaft das Land übernehme. Gleich nach dem Nachtessen wollte sie sich an das Schreibpult stellen und ein Ausschreiben an alle Fürstenhöfe abfassen.
    An diesem Abend brachte ein Bote die Nachricht, dass Margretha Speth nach schwerer Krankheit zur ewigen Ruhe gefunden habe.
     
    Wie ein Sohn und Bruder wurde Dietrich empfangen und getröstet, als er am Weihnachtsabend in der Residenz eintraf. In aller Stille, nur im Kreise seiner Familie und des Gesindes, hatte er Margretha in Zwiefalten

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