Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Mädchen und die Herzogin

Das Mädchen und die Herzogin

Titel: Das Mädchen und die Herzogin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
Vom Netzwerk:
wieder um Euch haben.»
    Unvermittelt sprang er auf und trat neben sie an den Lehnstuhl.
    «Und jetzt hört, was Hutten über Euch schreibt. Ich sage Euch, dass wird jeden verstummen lassen, der in Euch die herzlose Mutter, die geflohene Fürstin sieht.»
    Er räusperte sich. «‹Sabina von Wirtemberg unterließ nichts, den aufgebrachten Mann zu besänftigen, tat alles mit Liebe und Gefälligkeit. Er schmähte und schlug sie. Und doch gibt es, Ihr wisst es, kein schöneres, holderes, angenehmeres, einnehmenderes Weib. Ihr Äußeres ist so schön, ihr Umgang so angenehm, so sittsam all ihr Tun und Lassen, dass es fast mehr zu verwundern ist, wie er solche Gaben hassen konnte als wie sie seinen Unglimpf ertragen konnte. Alles an ihr ist der heißesten Liebe wert, und er behandelt sie so gehässig. Durch die Vermählung mit ihr erhielt sein Haus einen Glanz, dessen es noch nie gewürdigt worden war, und er wütet blind und unbesonnen gegen sie, erwägt nicht, was er dem schönen Weibe, deren Sitten und Wandel sie nur noch liebenswürdiger machen, nicht was er der Verwandtschaft und dem Kaiser und dem Bairischen Hause schuldig ist, in deren Glanze er erst anfing zu leuchten.›»
    Beinahe unmerklich hatte Dietrich seine rechte Handauf ihren Arm sinken lassen. «Ihr Äußeres ist so schön, ihr Umgang so angenehm», wiederholte er leise. Und dann, mit einem Blick, der sie erschauern ließ: «Alles an ihr ist der heißesten Liebe wert.»
    Jetzt sank er vor ihr auf die Knie und ergriff ihre Hände.
    «Glaubt mir, Sabina, es gab keinen Tag seit Ehingen, an dem ich nicht versucht habe zu bereuen, was zwischen uns geschehen ist. Aber es geht nicht. Ich müsste mir das Herz herausreißen, um Euch zu vergessen. Selbst wenn es ein Unrecht war, ein Unrecht gegenüber meiner lieben Frau und gegenüber der heiligen Kirche: Meine Liebe zu Euch kann ich nicht ersticken.»
    Sie sah ihn an: Wie sehr sie diesen Mann doch liebte! Auch wenn es eine Liebe ohne Gottes Segen war. Sie vermochte nicht mehr dagegen anzukämpfen, wollte es auch gar nicht mehr. Jetzt musste ihnen nur noch eines gelingen: die Kinder nach München zu holen. Dann würde ihr Glück vollkommen sein.

28
    Dieser Winter wurde Marie zum furchtbarsten ihres Lebens. Ulrich Herzog von Wirtemberg hatte sie zur Hure gemacht! So oft ihm danach der Sinn stand, suchte er sie in ihrer Dachkammer auf und nahm sich, was er wollte. Sie hatte keine Möglichkeit zu entkommen, und ihre Angst vor seinen Besuchen schlug um in ohnmächtige Wut, schließlich in Resignation.
    Jedes Mal pflegte er sich hernach zu entschuldigen, und auch sonst ließ er es zu ihrer Versorgung an nichts fehlen. Dreimalam Tag brachte man ihr üppige Mahlzeiten, der Krug mit Rotwein auf der Anrichte war stets gefüllt. Bereits am zweiten oder dritten Tag hatte der Herzog ihr einige Möbelstücke in die Kammer schleppen lassen, damit sie es bequem hatte, darunter zwei kunstvoll geschnitzte Truhen mit Kleidern und Wäsche. Rosina, die dürre, bärbeißige Frau, war allein zu ihrer Aufwartung abgestellt, und Marie konnte ihr jederzeit läuten. Nur eines durfte sie nicht: Hinaus aus ihrem Gefängnis! Gleich einem einsamen Singvogel hockte sie in ihrem goldenen Käfig, wurde von Woche zu Woche kräftiger und rundlicher, während in ihrem Innern Hoffnung und Lebensmut zusehends verkümmerten. Irgendwann ertrug sie alles gleichmütig wie ein waidwundes Tier, das sich seinem Schicksal gefügt hatte.
    In jener Nacht, in der der Herzog sie zum ersten Mal in Unehren beschlafen hatte, hatte sie nach seinem Fortgehen noch gegen die Tür getrommelt, geschrien und geheult, sich Fäuste und Stirn blutig geschlagen – mit dem Ergebnis, dass sie von den Türwächtern für den Rest der Nacht aufs Bett gefesselt wurde. Von da an wusste sie, dass sie niemals mit Gewalt die Freiheit erlangen würde, allenfalls mit List und Besonnenheit.
    In der zweiten Woche dann hatte der Herzog ein breiteres Bett herbeischaffen lassen, und nun blieb er oftmals die ganze Nacht bei ihr. Das hatte ganz erstaunliche Folgen, denn manchmal erwachte er mitten in der Nacht und begann zu reden. Dabei nahm er ihre Hand, hielt sich daran fest wie ein Kind an seiner Mutter, und sprach ganz unvermittelt über Dinge, die ein Mann, dazu im Rang eines Herzogs, besser seinem besten Freund und Ratgeber offenbart hätte, nicht aber einem Bauernmädchen, das man allnächtlich zur Hure machte. Es kam sogar vor, dass er mitten im Reden zu schluchzen begann.
    So erfuhr

Weitere Kostenlose Bücher