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Das Mädchen und die Herzogin

Das Mädchen und die Herzogin

Titel: Das Mädchen und die Herzogin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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mit ihrem Mann zu tun hatte: Jede Nacht kam der zu ihr ins Bett und forderte sein Recht, ob Theres nun todmüde war, schwanger oder halb krank. Trotzdem kühlte er sein Feuer auch bei anderen Frauen, das war stadtbekannt. Marie verabscheute ihn. Er war ein eingebildeter, hässlicher Mensch. Und bei ihr hatte er es auch schon versucht mit seinen lüsternen Annäherungen, bis sie ihm hart auf die Finger geschlagen und gedroht hatte, alles seiner Frau zu erzählen.
    Über eine Woche wohnte Marie nun schon im Haushalt des Küfermeisters. Sie war nur widerwillig geduldet, aber was hätte sie anderes erwarten sollen? Theres hatte ihre Christenpflicht ernst genommen, ihre Wunden versorgt und mit ihr das Essen geteilt, ohne jedoch jemals ein Wörtchen zu viel mit ihrem ungebetenen Gast zu wechseln. Eines Morgens dann hatte sie ihr gesagt, dass sie gehen müsse.
    «Oben in den Dachkammern über der Schlossküferei ist ein Bett frei. Du musst dich heut noch entscheiden, sonst ist der Schlafplatz weg.»
    «Aber ich hab kein Geld für die Miete.»
    «Dann geh arbeiten. Waschfrauen werden immer gebraucht.»
    So kam es, dass Marie jeden Morgen mit Theres hinunter zum Waschhaus am Neckarufer trottete, wo ein gutes Dutzend Frauen seine harte Arbeit verrichtete. Bis Sonnenuntergang war sie dann damit beschäftigt, Wäsche einzuweichen und auszukochen, zu stampfen, zu schlagen und zu schrubben. Schon nach wenigen Tagen sahen ihre Hände aus wie Reibeisen, aufgesprungen und rot von der Lauge und den scharfen Riffeln am Waschbrett. Vor Schmerzen konnte sie nicht schlafen, bis Theres ihr eines Abends ein Büchslein mit fettigem Wundbalsam vorbeibrachte.
    «Ein altes Hausmittel der Wäscherinnen. Die Hände vor der Arbeit einreiben, abends dann wieder und in ein Tuch einwickeln.»
    «Was bekommt Ihr dafür?»
    «Einen Platz im Himmel, hoff ich doch», brummte sie und stapfte davon.
    Maries Hände heilten erstaunlich schnell. Dafür verdüsterte sich zusehends ihre Stimmung. So nah war sie ihrem Jungen, sie wohnte direkt unterhalb der Festung und wusste doch nichts von ihm. Wenn er nun krank war? Oder gar tot? Nacht für Nacht quälte sie sich in einen unruhigen Schlaf, der nicht selten unterbrochen wurde von dem Stöhnen brünstiger Männer, die die anderen Mädchen verbotenerweise in die Kammern schleppten. Immer zu viert teilten sie sich die dunklen, zugigen Dachstuben, die allesamt an ledige junge Frauen vermietet waren, und Marie, als Reingeschmeckte, war unter ihnen alles andere als wohlgelitten. Mit dem wortkargen Wesen von Theres kam sie längst zurecht, nicht aber mit den Gehässigkeiten dieser Weiber. Mal waren ihre Sachen durchwühlt, mal lag abends, wenn sie heimkam, jemand schnarchend in ihrem Bett. Und einmal, als sie von ihrem ersten Lohn ein Paar neue Holzpantinen gekauft hatte, waren sie am nächsten Tag mit Leim vollgeschmiert.
    Dann aber, nach einem bitterkalten Winter, änderte sich ihr Leben schlagartig. Sie hatte sich einen Teil ihres kärglichen Lohnes vom Munde abgespart, um sich bei Theres erkenntlich zu zeigen, und brachte ihr das Ersparte eines Morgens vorbei, als der Küfermeister schon außer Haus war. Sie wollte, dass Theres das Geld für sich behalten konnte. Ungläubig sah die Frau zu, wie Marie den Inhalt des Beutels, einen Haufen Kreuzer im Werte von drei Gulden, auf den Tisch leerte.
    «Als Dank für Eure Hilfe», murmelte Marie.
    «Das kann ich brauchen», entgegnete Theres nur und begann, die Münzen zu gleichmäßig hohen Türmen aufzuschichten, um sie zu zählen. Dann sah sie auf.
    «Die Leute sagen, du hättest ein Kind oben auf der Festung?»
    «Ja. Mein Sohn Veith. Der Herzog gibt ihn nicht heraus.»
    «Wie alt?»
    Marie rechnete nach. «Ein halbes Jahr ist er schon», sagte sie und musste heftig schluchzen.
    «Deshalb also bist du nach Tübingen gekommen.» Schweigend starrte Theres wieder auf die Münzen.
    Marie gab sich einen Ruck und stellte die Frage, die ihr schon lange auf der Zunge lag.
    «Euer Mann geht doch in der Festung aus und ein. Könnte er nicht   –»
    «Das kannst du vergessen», schnitt ihr Theres das Wort ab. «Der tut keinem einen Gefallen. Dazu müsstest du schon ins Bett kriechen zu diesem brünstigen Bock.»
    «Niemals», entfuhr es Marie.
    Da schob ihr die Frau einen Teil der Münzen zu. «Nimm das zurück. Ich hab einen anderen Einfall. Ein Vetter von mir, der ist Mauerwächter in der Burg, macht alles für Geld. Ich werd mit ihm reden.»
    Marie sprang auf und umarmte

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