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Das Mädchen und die Herzogin

Das Mädchen und die Herzogin

Titel: Das Mädchen und die Herzogin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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übers Haar, spürte seine tränennasse Wange an ihrer Wange. Fast unmerklich begann er ihre Zärtlichkeit zu erwidern, fast unmerklich drang er in sie ein, sanft und ohne Gewalt. Sie ließ ihn gewähren, wenngleich sie keinerlei Lust zu empfinden vermochte.
     
    Mitten in diesem eisigen, stürmischen Winter vermählten sich die Erbmarschalltochter Ursula Thumbin von Neuburg und der herzogliche Obriststallmeister Hans von Hutten. Anlässlich des dreitägigen rauschenden Festes ließ sich Sabina wegen Unpässlichkeit entschuldigen – sie mochte es nicht mit ansehen, was sie da in die Wege geleitet hatte, schon gar nicht an Ulrichs Seite, der Wochen zuvor über diese Hochzeit in heftige Rage geraten war und seinem Landhofmeister und Erbmarschall gedroht hatte, ihn von allen Ämtern zu entbinden. Sabina gegenüber hatte er hierüber kein Wort verloren. Dass sie mit der Sache zu tun hatte, war ihm also offenbar nichtbewusst. Seit jener Herbstnacht suchte er sie hin und wieder auf, um ihr sein Herz auszuschütten und sich anschießend von ihr mit dem Vollzug des ehelichen Beilagers trösten zu lassen.
    So wenig ihr Ulrich als Mann genügen konnte, so sehr genoss sie diese Veränderung. Endlich konnte sie teilhaben an den Sorgen um das Herzogtum, endlich hörte Ulrich ihr zu, wenn sie ihrerseits ihre Ansichten zur Lage im Land kundtat. Wie sehr hatte sie immer jene mächtigen Frauen beneidet wie Isabella von Kastilien, die klug, beharrlich und unnachgiebig ihrem Land zu großer Macht verholfen hatte, die sogar die Mauren aus Hispanien verjagt und jenen Genueser Seefahrer in seinen Phantastereien unterstützt hatte, bis der tatsächlich einen neuen Kontinent entdeckte. Oder auch ihre geistvolle Base Margareta, die Tochter des Kaisers, die seit einigen Jahren als dessen Statthalterin die Niederlande regierte und von ihrem Volk geliebt und geachtet wurde.
    Nun endlich durfte auch sie Regentin sein, vermochte sie im Schatten ihres Mannes Einfluss auf die Regierungsgeschäfte zu nehmen.
    Umso größer war der Schock, als das Frühjahr kam und sie erfahren musste: Ulrich verkehrte immer noch im Marschallenhaus, diesmal gar im offensichtlichen Einvernehmen mit Hans von Hutten. Als sie den Stallmeister deswegen zur Rede stellte, wich der mit hochrotem Kopf aus. Es sei nichts Ernstes zu befürchten, er vertraue seinem Freund und Herrn vollkommen. Ein wenig Spaß, ein paar lustige Scherze, hin und wieder ein Tänzchen – zu mehr lasse es seine Gemahlin nicht kommen mit dem Herzog. Dabei strafte sein trauriger Blick seine Worte Lügen.
    In jenem Augenblick hatte sie zum ersten Mal daran gedacht, Ulrich zu verlassen und dafür sogar ihr Fürstentum aufzugeben, heimzukehren nach Baiern zu ihrer Familie. Sieahnte, dass er niemals von dieser Frau lassen würde, und wenn es das ganze Land erfuhr.
    Dann aber überschlugen sich die Ereignisse. Nach dem harten Winter mit seinen Frostschäden und dem Hochwasser im Frühjahr, bei dem Stege und Brücken weggerissen wurden, war es zu einer erneuten Teuerungswelle gekommen. Sabina wusste genau: Nicht nur die Missernten der letzten fünf Jahre hatten die Preise für Getreide und Wein um das Zwei- bis Vierfache steigen lassen. Viel mehr noch hatte des Herzogs Verschwendung dazu beigetragen. Jetzt begann es überall im Land offen zu gären und zu brodeln. Nicht nur die unzufriedenen Bauern versammelten sich, wie schon drüben im Badischen, auch immer mehr Stadtvolk stieß hinzu und drohte mit Ungehorsam. Allerorten in den Ämtern wurden Beschwerdeschriften verfasst, gemeinsam von Gericht und Gemeinde.
    Nein, jetzt konnte sie nicht einfach das sinkende Schiff verlassen, jetzt erst recht musste sie versuchen, Einfluss zu nehmen. Und vielleicht war diese Notlage ihres Landes ja auch ein Wink des Schicksals.

16
    «Diese aufgeblasenen Gecken! Diese Kleinkrämer!»
    Der Herzog war allerübelster Laune. Er kam eben von einer Versammlung der Stuttgarter Ehrbarkeit und hatte dabei ein Fiasko erlebt: Seine Absicht, die herzogliche Kassa mit einer außerordentlichen Vermögenssteuer zu sanieren, hatte die Ehrbarkeit mit Vehemenz abgeschmettert. Niemals werde man sich für solcherlei einspannen lassen.
    «Hab ich die vermaledeiten Schulden etwa nicht von meinenVorvätern übernommen? Und jetzt verweigern mir auch noch diese Augsburger Pfeffersäcke einen neuen Kredit. Ist es denn meine Schuld, dass im Burgund alles schiefgelaufen ist? Da vergeht einem ja jeglicher Appetit.»
    Wütend warf er sein

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