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Das Mädchen und die Herzogin

Das Mädchen und die Herzogin

Titel: Das Mädchen und die Herzogin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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ihr? Dann gehen wir sie doch alle miteinand holen, gell?»
    Die Männer pfiffen und lachten, und die ersten Trommelschläge hallten an den Hauswänden empor.
    «Potzsackerment», fluchte der Metzgerhans. «Damit kommt ihr in Teufels Küche.»
    Kurz darauf drückte er dem Gaispeter die Gewichtssteine in die Arme und schlug die Tür hinter sich zu. Unter Getrommel und Gepfeife marschierten sie ihrem Anführer hinterher, die Dorfstraße hinunter zum Fluss, und aus den Häusern und Gärten folgten ihnen immer noch mehr Menschen. Am Ufer legte der Gaispeter die Steine vor sich ins Gras, wartete, bis alle ihre Plätze eingenommen hatten und erhob die Arme gen Himmel.
    «Herr, der du bist dort oben, als Hüter der Gerechtigkeit: Urteile du, wir bitten dich!»
    Feierlich wie ein Priester hob er das erste Gewicht empor: «Haben wir Bauern recht, so sinke zu Boden. Hat aber unser Herzog recht, so schwimme empor.»
    Mit Schwung schleuderte er den Stein in die Rems, wo er schnurstracks in den Fluten versank. Das Gelächter und Gejohle war ohrenbetäubend. «Der Bauer hat recht! Der Bauer hat recht!»
    Mit theatralischen Gebärden wiederholte der Gaispeter das Spektakel, bis auch das letzte Gewicht in der Strömung verschwunden war. Ausgelassen strömten die Männer anschließend in die Dorfschenke, wo ihnen der Wirt Freibier ausgab.
     
    Müde und mit schwerem Schädel erhob sich Vitus am nächsten Morgen, um sich auf den Weg zu seinem Meister ins Nachbardorf zu machen. Im Haus war noch alles still, doch von der Gasse her vernahm er deutlich aufgebrachte Stimmen. Er schnappte sich eben seinen Beutel, als es auch schon heftig gegen die Tür klopfte. Draußen im Halbdunkel stand der Sohn des Hafners.
    «Sie haben den Gaispeter geholt. Der Büttel und der Feldschütz. Er soll vor Gericht. Wir treffen uns alle bei der Linde.»
    «Aber ich muss zur Arbeit.»
    Doch der Junge war schon bei der nächsten Haustür.
    «Lass den Gaispeter, mein Sohn!»
    Vitus fuhr herum und blickte in das sorgenvolle Gesicht seines Vaters. Alt und müde sah es aus.
    «Lass den Gaispeter», wiederholte er, «und geh zur Arbeit.»
    Vitus schüttelte den Kopf und hängte seinen Reisesack zurückan den Haken. «Tut mir leid, Vater», murmelte er und zog die Haustür hinter sich zu.
    Draußen war inzwischen trotz der frühen Stunde das halbe Dorf auf den Beinen. Nach und nach versammelten sich unter der Linde alle die vom Vortage und noch einige dazu, Frauen und Mädchen waren jetzt auch darunter. Einige hielten Mistgabeln oder Schaufeln in den Fäusten. «Bindet ihn los, macht ihn sofort los», begannen sie zu brüllen, als der Gaispeter herbeigeführt wurde, die Hände hinter dem Rücken gefesselt. Kurz darauf erschienen der Schultes, der dem Gericht vorstand, umgeben von den acht Gerichtsverwandten. Ganz deutlich sah man ihnen das Erstaunen an angesichts der großen Menschenmenge. Als das Gebrüll immer lauter wurde, gab der Schultes dem Feldschütz einen Wink. Sichtlich erleichtert nickte der und nahm seinem Delinquenten die Fessel ab. Als ob es so sein müsste, schob sich in diesem Augenblick die Morgensonne über die Hügel und schickte ihre Strahlen über den Versammlungsort.
    «Einen wunderschönen guten Morgen, die Herren Richter!» Der Gaispeter verneigte sich bis zum Boden. «Möge die Sonne Eure Köpfe beim Richtspruch erhellen.»
    Die Ersten begannen zu lachen.
    «Halt deine Zunge im Zaun, Peter Geiß, sonst sieht’s finster aus für dich.»
    Des Schultes’ Tonfall war barsch, doch Vitus wusste wie alle andern hier, dass er ein gerechter Mann war. Viele Male schon hatte er erfolgreich zwischen den Belangen der Dörfler und den Forderungen der Herrschaft vermittelt.
    «Verzeiht vielmals, Herr Vorsitzender. Und verzeiht auch das von gestern – das war ein Scherz, ein lustiger Spaß. Ich wollt keinesfalls einen Aufruhr im Dorf verursachen, deshalb sind wir ja auch hinaus zur Rems.»
    «Ein schöner Spaß!» Der Metzgerhans drängte sich durch die Menge, bis er vor dem Schultes stand. «Wer gibt mir jetzt meine Gewichtssteine zurück?»
    Der Gaispeter zuckte die Schultern. «Der Herr hat’s gegeben, der Herr hat’s genommen. Es war ein Gottesurteil. Benutz doch einfach wieder die alten Gewichte.»
    Jetzt konnte auch Vitus nicht mehr an sich halten und fiel in das ungestüme Gelächter der andern ein. Den dickwanstigen Metzger hatte er noch nie leiden mögen. Der Schultes hob den Arm und bat sich Ruhe aus, damit die Verhandlung ihren

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