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Das Mädchen und die Herzogin

Das Mädchen und die Herzogin

Titel: Das Mädchen und die Herzogin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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von seinen Amtleuten im Gegenzug verlangte, fortan jeglichen Aufruhr in ihren Ämtern niederzuschlagen und die Anführer mit dem Tode zu bestrafen. Um ihre Beschwerden, so schien es, hatte er sich niemals auch nur einen Pfifferling geschert.
    Die flirrende Hitze und die Schwärme von Stechmücken verstärkten noch die Anspannung unter den Menschen und machten sie gereizt und angriffslustig. Nicht weit von Vitus begannen die ersten Männer miteinander zu händeln, Schmähworte flogen hin und her. Der Magistrat hatte angeordnet, dass sich die Männer und Frauen aus den Dörfern abseits der Stadtbürger aufzustellen und sich ruhig zu verhalten hätten; das allein sorgte schon für böses Blut.
    Enderlin wischte sich den Schweiß von der Stirn. «Diese elende Warterei! Wenn die Gesandten nicht bald auftauchen, schlagen wir uns hier noch gegenseitig die Köpfe ein.»
    «Das ist nur, weil der Vogt wieder Oberwasser hat», erwiderte Vitus. «Wir hätten halt die Stadtschlüssel nicht zu schnell zurückgeben sollen. Das war ein Riesenfehler.»
    Enderlin nickte. In diesem Moment verschaffte sich einer der Brüder Faulpelzer Gehör.
    «Bauern, Tagelöhner und Handwerker! Ein feiger Hund ist, wer diesem Schandvertrag huldigt! Die reichen Hansen sind mächtiger denn je, und der arme Hinz und Kunz ist rechtloser denn je! Lassen wir uns vom Vogt keine Vorschriften mehr machen, verweigern wir den Stuttgarter Hofschranzen unseren Eid. Jeder, der hinter dem Armen Conrad steht, soll seine Reihe verlassen und sich unter die Bürger der Stadt mischen. Wir, die Bauern und Weingärtner des Remstals, sind kein minderer Stand, wir gehören genauso zu diesem Amt wie die Handwerker und Kaufleute.»
    Der Rest ging in lautstarkem Radau unter. Als hätte das Geschosseiner Feldschlange eingeschlagen, rannte alles durcheinander. Vitus verlor Enderlin aus den Augen, erblickte ganz kurz das Gesicht seiner jüngsten Schwester Rose, die ihm zuwinkte, um dann vom Getümmel verschluckt zu werden, fand sich schließlich inmitten einer Gruppe fluchender Kaufleute. Dann gellte vom Turm des Stadttors ein Trompetenstoß.
    «Sie kommen!» – «Gebt Ruhe jetzt!» – und plötzlich die schier unglaubliche Nachricht: «Der Herzog! Es ist der Herzog selbst!»
    Die Staubwolke kam rasch näher, und dann sah Vitus es mit eigenen Augen: An der Spitze von zwei Handvoll leichter Reiterei trabte Herzog Ulrich, trotz der Hitze mit wehendem grünem Umhang und Stiefeln bis übers Knie. Das Gesicht lag im Schatten seines Federhuts. Die Menschenmasse teilte sich, wich zurück und bildete wie von Zauberhand geführt einen riesigen Ring, den Herzog Ulrich nun mit seinem Gefolge in verhaltenem Schritt betrat.
    Beflissen kam Georg Gaisberg seiner Stellung als Vogt nach und trat vor den Herzog, gefolgt von den Schorndorfer Ratsherren. Fast bis zur Erde verneigten sie sich, und aus Hunderten von Kehlen erschollen augenblicklich laute Buhrufe. Herzog Ulrich blickte in die Runde und befahl der Menge mit eisiger Stimme, den Eid auf den Tübinger Vertrag zu leisten. Seine Lippen waren zu einem dünnen Strich verzogen, die Finger krampften sich um die Zügel.
    Da hob der Marschall, der an Ulrichs Seite geritten war, seinen goldenen Stab und rief: «Wer es mit dem Herzog von Wirtemberg hält, trete auf dessen rechte Seite.»
    Die Stadtoberen beeilten sich, der Aufforderung nachzukommen, als Caspar Bregenzer auf einen hohen Stein kletterte und rief: «Wer es mit dem Armen Conrad vom Hungerberg hält, soll an Ort und Stelle bleiben.»
    Das Unfassbare geschah: Wie eine feste, unverrückbare Mauer blieben die Menschen stehen, schweigend und mit finsteren Gesichtern. Vitus jubilierte innerlich.
    Verlegen trat Gaisberg von einem Bein aufs andere. «Nun, Euer Durchleuchtig Hochgeboren Gnaden» – er räusperte sich und sah sich mit ängstlichem Gesicht um   –, «angesichts der Lage erlaube ich mir untertänigst, Euch um eine Bedenkzeit von drei Tagen zu bitten.»
    Wiederum verneigte er sich bis zur Erde.
    «Dass euch der Teufel Beine mache, euch Schelmenpack», begann Ulrich zu fluchen, dann hielt er inne. «Gut. Drei Tage gebe ich euch, damit ihr zur Vernunft kommt. Und jetzt» – er nickte einem seiner Begleiter zu, der eine Pergamentrolle aus dem Beutel zog   –, «hört den Wortlaut des Vertrags.»
    Da sprang ein Bursche auf den Stein, ein langer roter Geselle grad wie der Herzog, und brüllte: «Spart Euch die Mühe. Von uns wird Euch keiner den Eid schwören, nicht, solange

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