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Das Mädchen von San Marco (German Edition)

Das Mädchen von San Marco (German Edition)

Titel: Das Mädchen von San Marco (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katie Hickman
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den Knochen.
    »Diese Engländer«, murmelte er kopfschüttelnd, während er Carew nachblickte, »immer kämpfen, immer Blut.«
    Blut! Damit hatte er Recht. In dem Moment, als Carew Ambrose erblickt hatte, wie er so selbstgefällig grinsend, so unendlich selbstsicher auf der anderen Seite des campo stand, hatte er rotgesehen. Blutrot! Und zwar, wenn irgend möglich, das Rot von Ambroses Blut.
    Ein Bild stieg deutlich vor seinem inneren Auge auf, so klar und scharf wie das Winterlicht: Er stand auf dem Balkon von Constanzas Palazzo und blickte auf die Gondel, sah darin Ambroses massiven Rücken und den gelben Turban. Neben ihm saß eine Frau, unter dem Sonnensegel verborgen. Aber er hatte ihre Stimme gehört. Und er war sich auf einmal absolut sicher, dass er Eufemia gehört hatte, Eufemia aus dem Inselkloster. Und ebenso sicher war er sich – und diese Gewissheit löste sowohl Verzweiflung wie auch Jubel in ihm aus –, dass Annetta sie geschickt hatte. Doch Ambrose hatte nicht nur beschlossen, ihm Annettas Nachricht nicht zu übermitteln, er hatte Eufemia noch nicht einmal erwähnt, ja, sie aller Wahrscheinlichkeit nach sogar mit voller Absicht fortgeschickt.
    Carew hielt sich nicht mit der Frage auf, warum Ambrose ihm Böses wünschte. Und er dachte auch keine Sekunde lang darüber nach, was er in diesem pestverseuchten, armseligen Stadtviertel zu suchen hatte. Als Carew auf Ambrose zurannte, hatte er nur eines im Sinn: seine Hände um die Gurgel des Mannes zu legen und dem fetten Widerling den Kopf abzureißen, dieses arrogante Lächeln auf den Pflastersteinen zu zerschmettern, es für alle Zeit von seinem Gesicht zu wischen.
    Aber dazu sollte es nicht kommen. Ein anderer war schneller. Als Carew auf der Mitte des Platzes angekommen war, sah er, dass um Ambrose und seinen unbekannten Begleiter eine heftige Auseinandersetzung im Gange war. Zu seiner Überraschung waren offenbar auch die Trauernden an der Kirchentür darin verwickelt. Der campo, der eben noch verlassen gewirkt hatte, füllte sich mit Menschen, als hätten die Anwohner nur auf das Spektakel gewartet. Die Atmosphäre war plötzlich zum Zerreißen gespannt.
    Sein Instinkt sagte Carew, dass gleich etwas passieren würde.

Kapitel 32
    Die Kirchenpforte war geschlossen.
    »Macht die Tür auf!« Maryam, die den kleinen Kindersarg unter einen Arm geklemmt hatte, hämmerte mit der freien Faust gegen das Holz. »Wir sind gekommen, um unseren Toten segnen zu lassen.«
    Eine Zeitlang rührte sich nichts. Sie klopfte noch einmal. »Nur ein Segensspruch, ich bitte Euch, Padre. Für unser totes Kind.«
    Endlich ließ sich aus der Kirche eine gedämpfte Stimme vernehmen, aber die Tür blieb geschlossen.
    Ein unzufriedenes Murmeln ging durch die Gruppe.
    Betroffen drehte sich Maryam zu der Frau um, die hinter ihr stand. »Es hilft nichts, Elena, er öffnet nicht.«
    In diesem Moment ertönte hinter ihr eine Männerstimme: »Was erwartet ihr? Es ist ja schließlich kein menschliches Wesen.«
    Ambroses Begleiter, der Mann mit dem Lederranzen über der Schulter, hatte sich unbemerkt der kleinen Gesellschaft genähert. Als Maryam ihn erblickte, fuhr sie so entsetzt zurück, als sei ihr der Leibhaftige erschienen.
    »Panagia mou!« Instinktiv stellte sie sich schützend vor Elena und die beiden kleinen Mädchen. »Was in Gottes Namen tut Ihr hier?«
    Maryams Erschrecken bewirkte, dass sich der Mann noch mehr in die Brust warf, als sei es ihm eine besondere Genugtuung, sie zu ängstigen. Breitbeinig stolzierte er auf sie zu.
    »Wie ich Euch gesagt habe«, wandte er sich an Ambrose, »hässlich wie ein Nilpferd.« Er schnaubte verächtlich. »Und ein Schnurrbart, wahrhaftig. Das war mir nicht mehr in Erinnerung.«
    Maryam fand endlich ihre Stimme wieder, obwohl ihr der Hals noch wie zugeschnürt war. »Bocelli!« Dann hatte sie ihn tatsächlich damals in dem Dorf am Meer gesehen. Ein ungutes Gefühl durchfuhr sie. »Was wollt Ihr?«
    »Um den heißen Brei herumreden ist nicht deine Sache, was?« Bocelli lachte und zeigte dabei seine schwärzlichen Zahnstummel. »Was glaubst du wohl, was ich will? Das da will ich, verstehst du?« Er machte eine verächtliche Kopfbewegung hin zu dem kleinen Sarg. Und damit es alle hören konnten, fügte er mit lauter Stimme hinzu: »Ich bin gekommen, um zu holen, was mir gehört.«
    Maryam starrte ihn fassungslos an. »Was habt Ihr vor?«
    »Du hast mich verstanden«, warf er ihr kaltschnäuzig hin. »Ich hole mir, was mir

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