Das Mädchen von San Marco (German Edition)
Freunde! Was für ein Glück, Euch beide hier vorzufinden!« Er streckte die Arme aus und blickte mit einem verzückten Lächeln von einem zum anderem. »Genau die beiden, die ich treffen wollte!«
»Was gibt es Neues, Ambrose?«, fragte Paul. »Ihr strahlt auf uns nieder wie ein Meteorit!«
»Paul, mein guter, teurer Paul …« Ambrose ging zu Pindar und umarmte ihn liebevoll. »Ich bringe großartige Neuigkeiten.«
»Um Himmels willen, Ambrose, welche denn? Dass die gesamte portugiesische Flotte an den Felsen vor Buena Esperanza zerschellt ist?« Paul schob ihn von sich fort, halb amüsiert, halb irritiert. »Nein, sagt nichts – ich weiß: Ihr habt eine Gans entdeckt, die goldene Muskatnüsse legt.«
»Nein, nein, nichts dergleichen.« Ambrose setzte seinen gelben Turban ab und wischte sich die Schweißperlen von der feuchten Stirn. »Ja, könnt Ihr es nicht erraten? Es ist das, wonach wir die ganzen Jahre gesucht haben.«
Paul und Carew starrten ihn verständnislos an.
»Ich hoffe, Ihr habt mich nicht schon in der Gondel darüber sprechen hören, ich möchte Euch auf keinen Fall die Überraschung verderben.« Lauernd blickte Ambrose von einem zum anderen.
»Ambrose, um Himmels willen, raus mit der Sprache.«
»Wie Ihr wünscht. Ich glaube«, sagte Ambrose mit vor Erregung heiserer Stimme, »ich glaube, ich habe sie gefunden … Guter Gott, es ist kaum zu glauben! Nach so langer Zeit.«
»Sie gefunden?« Pauls Gesicht war kreidebleich. »Wovon redet Ihr?«
»Von der Meerjungfrau für Parvishs Kabinett natürlich. Wonach sonst habe ich denn die ganzen Jahre über Ausschau gehalten?« In seinen Augen standen Tränen. »Sie ist hier, Pindar. Meine Meerjungfrau. Sie ist endlich in Venedig angekommen.«
Kapitel 31
Carew zog es zurück in seine Unterkunft, aber sein Kopf war so voll von dem, was sich zwischen ihm und Paul bei Constanza abgespielt hatte, dass er schon fast am Rialto war, ehe er merkte, wohin ihn seine Füße trugen.
Der Marktpatz von Venedig war an jenem Nachmittag ungewöhnlich stark bevölkert. Auf der Brücke musste sich Carew einen Weg durch die dichte Menschenmenge bahnen, in der Straßenhändler, ausländische Kaufleute und jüdische Gold- und Edelsteinverkäufer ihre Waren feilboten und eine fahrende Gauklertruppe für ihre Vorstellung warb. Er war gerade auf der anderen Seite angelangt, als er mit einem alten Mann zusammenstieß, der aus der Gegenrichtung kam.
»He, Engländer«, protestierte eine Stimme, die ihm vage vertraut vorkam. »Wo brennt’s? Könnt Ihr nicht aufpassen, wo Ihr hinlauft?«
Carew blieb stehen und erkannte die zwergenhafte, bärtige Gestalt von Prospero Mendoza, der ihn von unten herauf böse anfunkelte.
»Prospero!«
»Ihr schon wieder, Engländer!« Der Alte musterte Carew missbilligend. »Und immer mit solch einem grimmigen Gesicht. Was ist los, ist jemand gestorben?« Dann blinzelte er mit schief gelegtem Kopf Carew von der Seite an. »Was ist mit Eurem Ohr passiert?« Wenn die Juwelierlupe seine Augen nicht verdeckte, bemerkte man erst, wie scharf sein Blick war. »Es sieht aus, als hätte ein Hund daran genagt.« Der Gedanke schien ihn außerordentlich zu belustigen.
»Ein Hund?« Carew legte die Hand auf seine vernarbte linke Wange und kratzte an dem getrockneten Blut, das noch daran klebte. Er war so in seine Grübeleien vertieft gewesen, dass er sein Ohr ganz vergessen hatte. »So etwas Ähnliches.«
»Ihr Engländer! Was ist nur los mit euch? Immer kämpfen, immer Blut.« Prospero zuckte mit den Achseln. »Wohin wollt Ihr überhaupt?«
Als Carew ihm erklärte, wo seine Unterkunft lag, sagte Prospero, er habe auch in dieser Gegend zu tun, und die beiden Männer machten sich gemeinsam auf den Weg.
Sie gingen an der Südseite des Canal Grande zwischen den Marktständen hindurch, vorbei an Verkäufern von Obst und Gemüse, die ihre Waren zu leuchtend bunten Pyramiden aufgestapelt hatten, nahmen eine Abkürzung durch den überdachten Fischmarkt, vorbei an Kisten mit lebenden Krabben, an Holzregalen mit Makrelen und Sardinen und an winzigen Sardellen, die silbern glänzend aus Kästen quollen.
»Und Kaufmann Pindar, wie geht es ihm? Er hat mich gestern aufgesucht und wollte, dass ich all seine Edelsteine schätze. Ihr erinnert Euch, ich habe sie Euch gezeigt, als Ihr neulich in meine Werkstatt gekommen seid – die Steine, die er immer in meiner Obhut lässt.«
Aber Carew war nicht in Plauderstimmung und schwieg.
Nach einer Weile fuhr der
Weitere Kostenlose Bücher