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Das Mädchen von San Marco (German Edition)

Das Mädchen von San Marco (German Edition)

Titel: Das Mädchen von San Marco (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katie Hickman
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Gesellschaft.
    Er verspürte auf einmal das unbändige Verlangen, woanders zu sein, fortzugehen, nach Hause zu fahren. Ungeduldig stand er auf.
    Es dauerte eine Weile, bis er bemerkte, dass Ambrose, der vorn im Boot saß, ihm etwas zu sagen versuchte. »Mister Ambrose?«
    »Ihr könnt mich von dort hinten nicht hören, das ist ja wohl offensichtlich.« Ambrose gab Carew ein Zeichen, zu ihm zu kommen. »Und passt auf, dass wir nicht übereinanderfallen.«
    Doch Carew war bereits an seiner Seite, flink wie eine Katze. »Ich höre?«
    »Setzt Euch hin, John, Ihr bringt das Boot ganz erbärmlich zum Schwanken.« Ambrose umklammerte ängstlich seine Sammelkisten.
    Carew setzte sich wie geheißen und betrachtete Ambrose missgestimmt. Schon jetzt bedauerte er seine Entscheidung, ihn zum Kloster zu begleiten. Mit seinem gelben Turban und den orientalischen Gewändern hockte er im Bug des Bootes wie ein riesiges, frisch geschlüpftes Küken. Aus der Nähe war seine Nase sogar noch größer, als Carew sie in Erinnerung hatte: Sie glänzte so beeindruckend, dass sie gut in eine der Wunderkammern gepasst hätte, für die er so eifrig sammelte.
    »Ich nehme an, dass Ihr Euch fragt, warum ich Euch mitgenommen habe, John?«
    Carew seufzte innerlich. Das Letzte auf Erden, was er in diesem Moment gebrauchen konnte, war Ambrose in Inquisitorenlaune. »Keinen blassen Schimmer, mein Herr.«
    »Ihr seid doch sonst so neugierig.« Ambrose blickte ihn aus glänzenden Augen an. »Wagt eine Vermutung.«
    »Ich habe gehört, dass es dort eine Nonne gibt, die malt.«
    »Ja, das ist einer der Gründe. Schwester Veronica. Ich kenne sie schon lange. Sie malt und zeichnet Pflanzen wie ein Engel, vorzügliche Arbeit, wahrhaft vorzüglich …« Ambrose rieb sich die Hände, wie so oft, wenn er sich für ein Thema erwärmte oder über seine Schätze sprach. »Alle Papiersammler bedienen sich heutzutage ihrer, obwohl ich natürlich der erste war –«
    »Demnach ist sie eine Eurer Informantinnen?«, fiel ihm Carew, der nie ein Blatt vor den Mund nahm, ins Wort. Halblaut fuhr er fort: »Dann wird sie wohl über das eine oder andere Bescheid wissen.«
    »Ihr seid ganz schön durchtrieben, John.«
    »Jahrelange Erfahrung, Mister Ambrose«, erwiderte Carew mit ausdrucksloser Miene, »ich versuche, mit meinem Herrn mitzuhalten.«
    Hinter Ambrose zeigte sich die halbmondförmige Landzunge, Giudecca genannt, auf der die Adelsfamilien ihre Lusthäuser bauten. Gärten und Obsthaine zogen sich bis ans Ufer hinab und auf einer kleinen Sandbank suchten ein paar Jungen nach Krabben. Ach Gott, er hätte nicht mitkommen sollen, aber jetzt gab es kein Zurück mehr.
    »Euer Herr, aha.« Ambrose hob die Hand, um seine Augen vor der Sonne zu schützen. »Ich möchte gern gleich noch einmal auf dieses Thema zurückkommen, aber zuerst –«
    »Also glaubt Ihr, dass Eure malende Nonne, wie auch immer sie heißen mag, irgendetwas über die Dame aus dem Harem wissen könnte?«, unterbrach ihn Carew.
    »Vielleicht.« Ambrose ließ sich tiefer in seinen Sitz sinken und machte es sich zwischen den Kissen bequem. »Wenn jemand etwas über diese geheimnisvolle Dame und ihre Juwelen weiß, dann ist das Schwester Veronica. Ständig bekommt sie Besuch, und sie scheint alles zu wissen, was in der Lagune vor sich geht. Doch ich muss Euch sagen, dass ich sehr an der Existenz dieser Dame zweifle, auch wenn sich Pindar viel erhofft.«
    »Ihr meint die Haremsdame mit den Juwelen?«
    »Ja, natürlich.«
    »Aber ich dachte, Prospero hätte gesagt …«
    »Oh, diese Edelsteinhändler!« Ambrose winkte lässig ab. »Allesamt Schwindler. Es würde mich nicht wundern, wenn die Steine gestohlen sind und sie die Geschichte nur erfunden haben, um ihr unerwartetes Auftauchen auf dem Markt zu erklären. Es kursieren immer wieder solche oder ähnliche Geschichten am Rialto, und kaum eine davon ist wahr. Das wisst Ihr doch sicher.«
    »Vielleicht.« Vielleicht auch nicht. War Ambrose im Zimmer gewesen, als Prospero Pindar von dem Diamanten erzählt hatte? Carew stellte fest, dass er sich nicht mehr an die Szene erinnern konnte. Deutlich erinnerte er sich dagegen an den Vorfall etwa eine Stunde später in Zuanne Memmos ridotto . Der Blaue Stein des Sultans war äußerst real gewesen. Konnte Ambrose mit seiner offenbar grenzenlosen Fähigkeit, sich Informationen zu beschaffen, ja, sie aus der Gosse aufzusaugen, etwas von ihrem ungesetzlichen Besuch bei Memmo gehört haben? Carews Neugier war

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