Das Mädchen.
Entscheidung ab, und Trisha setzte sich wieder in Bewegung, sah sich unterwegs ängstlich um und rieb sich ihre geschwollenen Augen mit einem Arm. Als sie ihren Arm erneut ans Gesicht hob, sah sie ein halbes Dutzend Mücken darauf sitzen und schlug blindlings zu. Sie erwischte drei. Zwei von ihnen waren zum Platzen voll gewesen. Der Anblick ihres eigenen Bluts machte ihr sonst nichts aus, aber dieses Mal bekam sie weiche Knie, sank auf den Nadelteppich unter einer Gruppe alter Kiefern und weinte noch etwas mehr. Sie hatte leichte Kopfschmerzen, und auch ihr Magen schien nicht ganz in Ordnung zu sein. Aber gerade vorhin bin ich noch im Van gewesen, dachte sie wieder und wieder. Vorhin bin ich noch im Van gewesen, auf dem Rücksitz des Vans, habe zugehört, wie die beiden sich gestritten haben. Und dann erinnerte sie sich an die zornige Stimme ihres Bruders, die durch den Wald gehallt hatte: ... weiß nicht, warum wir ausbaden müssen, was ihr beiden falsch gemacht habt! Ihr fiel ein, dies könnten die letzten Worte gewesen sein, die sie je von Pete hören würde, und dieser Gedanke ließ ihr wirklich einen kalten Schauder über den Rücken laufen, wie der Anblick von irgend etwas Monströsem im Schatten der Bäume. Diesmal versiegten ihre Tränen rascher, und sie hatte auch nicht so heftig geweint. Als sie auf die Beine kam (wobei sie mit der Mütze um ihren Kopf wedelte, fast ohne es zu merken), hatte sie sich wieder halbwegs gefaßt. Inzwischen würden sie bestimmt gemerkt haben, daß sie verschwunden war. Moms erster Gedanke würde sein, Trisha sei wegen ihrer Streiterei sauer gewesen und zum Wagen zurückgegangen. Sie würden nach ihr rufen, dann zurückgehen und die Leute, denen sie auf dem Wanderweg begegneten, fragen, ob sie ein Mädchen mit einer Red-Sox-Kappe gesehen hätten (Sie ist neun, aber groß für ihr Alter und wirkt älter, konnte Trisha ihre Mom sagen hören), und wenn sie den Parkplatz erreichten und sahen, daß sie nicht beim Auto war, würden sie anfangen, sich ernstlich Sorgen zu machen. Mom würde in tausend Ängsten schweben. Der Gedanke an ihre Besorgnis ließ Trisha sich schuldig fühlen, machte sie aber auch ängstlich. Es würde ziemlich viel Wirbel geben, vielleicht sogar ganz großen, an dem die Wildhüter und der Forest Service beteiligt waren, und das war alles ihre Schuld. Sie hatte den Weg verlassen. Das überzog ihre bereits verstörten Gedanken mit einer neuen Schicht aus Furcht, und Trisha begann schneller zu gehen, weil sie hoffte, den Hauptweg wieder zu erreichen, bevor alle diese Telefongespräche geführt werden konnten, bevor sie sich in etwas verwandeln konnte, das ihre Mutter als Öffentliches Schauspiel bezeichnete. Sie marschierte weiter, ohne wie zuvor sorgfältig darauf zu achten, daß sie sich in gerader Linie bewegte, drehte mehr und mehr nach Westen ab, ohne es zu merken, bog vom Appalachian Trail und den meisten seiner Nebenpfade und Wanderwege ab, bog in eine Richtung ab, in der es praktisch nur noch Wälder der zweiten Generation voll dichtem Unterholz, felsigen Schluchten und immer schwierigerem Gelände gab. Unterwegs rief und horchte, horchte und rief sie abwechselnd. Sie wäre entsetzt gewesen, hätte sie ge-wußt, daß ihre Mutter und ihr Bruder sich weiter erbittert stritten und immer noch keine Ahnung davon hatten, daß Trisha verschwunden war.
Sie ging schneller und schneller, wedelte vor ihrem Gesicht tanzende Gnitzenschwärme beiseite und machte sich nicht mehr die Mühe, kleine Buschgruppen zu umgehen, sondern pflügte einfach mitten durch sie hindurch. Sie rief und horchte, rief und horchte, aber tatsächlich horchte sie nicht, nicht ernstlich, nicht mehr. Sie spürte die Mücken nicht, die in ihrem Nacken dicht unterhalb des Haaransatzes wie Säufer in der Happy Hour zusammengedrängt saßen und sich vollaufen ließen; sie spürte auch die winzigen Stechfliegen nicht, die zappelnd in den klebrigen Spuren noch nicht ganz getrockneter Tränen auf ihrem Gesicht festsaßen.
Daß sie in Panik verfiel, geschah nicht so plötzlich wie zuvor, als sie die Schlange berührt hatte, sondern auf unheimlich schleichende Weise. Es war ein Rückzug aus der Welt, ein Ignorieren von Sinneseindrücken. Sie ging schneller, ohne aufzupassen, wohin sie trat; rief um Hilfe, ohne ihre eigene Stimme zu hören; horchte mit Ohren, die vielleicht nicht einmal einen Antwortruf gehört hätten, der hinter dem nächsten Baum hervorgekommen wäre. Und als sie zu rennen begann, tat
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