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Das Maedchengrab

Das Maedchengrab

Titel: Das Maedchengrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nadja Quint
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»Marjann meint immer, das soll eine Frau sich nicht antun. Denn es ist gefährlich, und viele sterben daran. Aber selbst, wenn es gelingt, hat die Frau ihr Kind ein Leben lang auf dem Gewissen. Und der Pfarrer gibt ihr nicht das
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, sondern lässt sie in ihrer Schuld und sagt, dass sie in der Hölle schmachten wird und im Fegefeuer verglühen.«
    Ernst legte die Ravenzacherin ihre rechte Hand auf die des Mädchens. »Mit Gewissheit können wir nur sagen, dass Lisbeth ermordet wurde. Das Weitere mögen Gerüchte sein. Und alles ist lange her, zwölf Jahre schon.«
    »Ja.« Fine schaute an ihrem Becher vorbei auf den eichenen Tisch. »So lange. Siebenundzwanzig müsste der Hannes jetzt sein.« Sie trank aus und bedankte sich.
    Die Ravenzacherin verabschiedete sie herzlich.
    Auf dem Rückweg zum Hof fühlte Fine sich von einem Schwindel ergriffen. So verwirrend schien das, was sie in den letzten achtzehn Stunden erfahren hatte: Briefe, die wohl von Hannes stammten, aber nicht aus Amerika abgeschickt waren. Gerüchte über eine getötete Leibesfrucht und über einen Mord aus verschmähter Liebe.
    Um sich abzulenken, stürzte Fine sich erneut in Arbeit. Alle trauerten noch um ihre Kameradin Ulla, doch das Leben ging weiter. Obst und Gemüse waren zu ernten, Tiere zu versorgen. Da Ulla am Morgen die Aussegnungen der Kirche erhalten hatte, durfte Fine nun deren Schlafplatz übernehmen. Die Gesindekammer lag unterm Dach. Tief in der Nacht, als die anderen beiden Mägde in der Kammer schon schliefen, lag Fine wach. Wie seltsam war ihr zumute: Hier am Schlafplatz fühlte sie sich der toten Ulla näher als je zu deren Lebzeiten. Immer wieder musste sie daran denken, wie die um fünf Jahre ältere Freundin damals bei der Pflege von Fines und Bastis Eltern geholfen hatte. Die Eltern waren längst gestorben, und seit einigen Tagen war nun auch Ulla nicht mehr auf der Welt. Dabei kam es Fine vor, als könnte sie noch immer Ullas helle Stimme hören und ihre Haare riechen, die sie jeden Sonnabend gewaschen und mit Lindenblütensud übergossen hatte.
    Fine schlief kaum in dieser Nacht. Trotzdem fühlte sie sich morgens nicht müde – dazu war sie zu aufgeregt. Am Nachmittag wollte sie wieder Basti in seiner Zelle besuchen. Da sie nach Blankenheim nicht allein gehen durfte, hatte Gerds Vater sich erboten, sie auf seinem Leiterwagen mitzunehmen.
    So verbrachte sie den Morgen mit reger Arbeit, rührte die Buttertrommel, pulte Erbsen, rupfte Hühner. Als aber der Nachmittag heranrückte, ging sie schon zeitig ins Dorf. Bis zum Treffen mit Gerds Vater blieb ihr noch mehr als eine halbe Stunde, und die wollte sie nutzen.
    Immer wieder musste sie daran denken, wie es war, als sie neulich nachts die dunkle Gestalt gesehen hatte – den Mann mit dem schwarzen Umhang.
    Auch an diesem Tag half Marjann bei der Ernte auf dem Kyllhof, das wusste Fine sicher. Sie näherte sich dem Haus wie in besagter Nacht: über die Wege zwischen den Gärten und dann durch die hintere Pforte des Grundstücks. Sobald sie Marjanns Garten betreten hatte, hielt sie inne und schaute sich um. Alles war, wie Fine es seit Jahren kannte. Sie konnte das Scharren der Hühner in ihrem Gehege neben dem Haus hören. Die Ziege meckerte kurz auf, vermutlich hatte sie das Quietschen der Gartenpforte vernommen.
    Fine ging in Richtung Schuppen. Am Kräuterbeet blieb sie stehen. Es waren gewöhnliche Kräuter, die Marjann hier zog, sie ließen sich in jedem Garten finden. Salbei und Petersilie waren dabei, Liebstöckel und Majoran. Dazwischen prangten dunkelrot und violett die blühenden Verbenen. Und auch das Gottesgnadenkraut stand hier: hoch aufragend mit seinen schmalen Blättern und zarten, weißen Blüten. Fine selbst hatte es in ihrem Leben einige Male genommen, wenn sie hartleibig gewesen war. Doch immer hatte Marjann ihr diesen Tee nur in kleinen Mengen gegeben und sie vor der Giftigkeit gewarnt.
    So hatte Fine auch erfahren, dass manche Frauen einen kräftigen Sud vom Gottesgnadenkraut tranken, wenn ihre monatliche Reinigung ausblieb, sie aber kein Kind haben wollten. Dann bekamen sie von dem Gift so starke Krämpfe, dass sie wieder zu bluten begannen. Einige starben auch daran.
    Fine sah zu Marjanns Haus hinüber. Dort auf dem Dachboden trockneten die zu Sträußen gebundenen Kräuter, bis sich die brüchigen Blätter im Mörser zerstoßen ließen. Zwischen den verwitterten, roten Ziegeln konnte Fine drei Dachluken erkennen. An diesen kleinen, von Metall

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