Das Magdalena-Evangelium: Roman
vergessen, es dir zu sagen.«
Tammy erstarrte. »Was?«
»Sie könnte heute Ärger bekommen.«
»Wie?«
»Sie ist mit Jean-Claude de la Motte unterwegs, richtig?«
Tammy nickte. Ihre Gedanken rasten, als sie versuchte, alles zu ordnen. Derek rollte sich herum und reckte sich träge.
»Wach auf, Mädchen. Jean-Claude ist einer von uns. Oder vielleicht sollte ich besser sagen: einer von ihnen . Er ist die rechte Hand dieses Irren, der sich Lehrer der Gerechtigkeit nennt, und der Kopf unserer französischen Sektion. Jean-Claude ist nicht einmal sein richtiger Name, in Wirklichkeit heißt er Jean-Baptiste.« Er lachte kurz ob dieses kleinen Scherzes, bevor er fortfuhr: »Aber er wird ihr vermutlich nicht wehtun. Noch nicht jedenfalls. Sie sind viel zu sehr daran interessiert, ob sie diesen so genannten Schatz finden kann oder nicht. Und wir wissen beide, dass es dafür ein Zeitlimit gibt.«
In Tammys Kopf drehte sich alles. Sie konnte einfach nicht verarbeiten, dass Jean-Claude ein Verräter war, nicht so schnell. Er war schon seit Jahren mit Sinclair und Roland befreundet, und sie vertrauten ihm vollkommen. Wie lange wurden sie schon derart infiltriert?
Aber da war noch etwas anderes, das ihr im Kopf herumging, und sie musste es einfach wissen. Tammy betete, dass sie nicht so erschüttert aussah, wie sie sich fühlte, und stellte die Frage so ruhig wie möglich:
»Historisch betrachtet wurde die Verheißene eliminiert, bevor der Schatz gefunden werden konnte. Warum sollte das diesmal anders sein? Falls Jean … Baptiste und euer Führer glauben, dass Maureen die Verheißene ist, warum beseitigen sie sie dann nicht einfach, bevor sie ihre Aufgabe erfüllen kann? Es wäre ja, wenn ich dir glauben soll, in der Geschichte nicht das erste Mal.«
Derek gähnte. »Weil sie wollen, dass sie sie zu MagdalenasBuch führt. Diesmal wollen sie das Risiko eingehen, damit sie das Ding ein für alle Mal vernichten können. Danach wird auch deine Freundin Geschichte sein – bevor sie Gelegenheit bekommt, darüber zu schreiben.«
»Warum erzählst du mir das?«, fragte Tammy vorsichtig.
»Weil ich will, dass Jean-Baptiste mit seinem Führer untergeht. Ich gehe davon aus, dass euer Großmeister Sinclair den Froschfresser für mich beseitigen wird, wenn er erst einmal Bescheid weiß.«
Tammy wollte ihn anschreien, wollte ihm sagen, dass Sinclair und die anderen in ihrer Organisation nicht wie Derek und seine Hassprediger aus dem Orden waren. Aber sie wagte es überhaupt nicht mehr zu sprechen, bevor sie nicht sicher zur Tür hinaus war.
Derek war noch nicht fertig. »Lass mich in der Zwischenzeit einfach sagen: Wenn ich an eurer Stelle wäre, würde ich den Rotschopf so schnell wie möglich aus dem Languedoc wegbringen.«
Tammy drehte sich zur Tür um und hielt dann noch einmal inne. Sie musste eine letzte Frage stellen. Sie musste wissen, wie sehr sie sich all diese Jahre in Derek getäuscht hatte.
»Wie denkst du über all das?«, fragte sie leise.
»Eigentlich ist es mir egal«, antwortete Derek. Er klang zutiefst gelangweilt und mehr als bereit, wieder in seinen weinseligen Schlaf zu versinken. »Deine Freundin scheint ja ganz nett zu sein … Aber sie gehört immer noch zur Jesusbrut, und das macht sie zu meinem natürlichen Feind. So ist das einfach. Vielleicht kannst du das nicht verstehen … einfach Glaubenssache. Was die Entdeckung der Schriften der Hure betrifft, so scheint jedermann sicher zu sein, dass es diesmal passieren wird … Aber darum mach ich mir keine Sorgen. Ich weiß sowieso nicht, was das alles soll.«
Er lachte eine Sekunde lang und drehte sich auf die Seite. Auf einen Ellbogen aufgestützt, sah er sie an: »Weißt du, waskomisch ist? Niemand will wissen, was in diesen Schriftrollen steht. Der Vatikan nicht, weil es der Kirche bloß Ärger bringt. Die Historiker nicht, weil sie alle Akademiker wie Volltrottel aussehen lassen. Darum stehen die Chancen gut, dass unsere Feinde sie wieder vergraben, bevor irgendwas nach draußen gelangt … Wäre das Beste. Dann brauchen wir uns nicht drum zu kümmern …«
Er gähnte erneut, als wäre das ganze Thema zu profan, um sich weiter damit zu beschäftigen, und rollte sich wieder auf den Rücken, als er hinzufügte: »Na klar, wir verachten sie, weil wir wissen, dass Lügen über Johannes den Täufer drinstehen. Und weil sie von einer Hure geschrieben sind.«
Tammy wollte so schnell wie möglich aus dem Hotel, weg von Derek und weg von seinen
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