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Das Magdalena-Evangelium: Roman

Das Magdalena-Evangelium: Roman

Titel: Das Magdalena-Evangelium: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen McGowan
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plötzlich Lärm die Stille erschütterte. Motorenlärm. Aus welcher Richtung kam er? In dieser gebirgigen Gegend mit ihren vielen Echos war die Herkunft eines Schalls schwer zu bestimmen. Maureen zögerte nicht, sie warf sich auf den Boden und betete, dass Unterholz und hohes Gras sie vor den Scheinwerfern verbergen würden. Vollkommen reglos lag sie da, während ein Wagen sich näherte und seine Scheinwerfer alles um sie herum in grelles Licht tauchten. Der Fahrer musste allerdings mit seinen Gedanken woandersgewesen sein, denn er verlangsamte nicht einmal die Geschwindigkeit, als er an der rothaarigen bäuchlings daliegenden Frau im Gebüsch vorbeirauschte.
    Als Maureen sicher war, dass der Wagen außer Sicht war, erhob sie sich und bürstete Zweige und Blätter ab. Während sie die Straße entlangging, warf sie einen Blick zurück auf das Château – war da ein Licht im oberen Stock? Einen Moment lang überlegte sie, wessen Fenster es sein mochte, aber das Haus war zu groß, und sie hatte keine Zeit, es herauszufinden.
    Maureen beschleunigte ihren Schritt. Mit vor Aufregung klopfendem Herzen lief sie um eine Straßenkurve, die sie wiedererkannte. Genau vor ihr auf einer Anhöhe schimmerte Poussins Grabmal im Mondlicht. »Et in Arcadia Ego« , flüsterte Maureen. »Jetzt oder nie.«
    Sie suchte nach dem Weg, den sie und Peter vor ein paar Tagen entdeckt hatten – jenem Pfad, der offenkundig verborgen worden war –, und fand ihn wieder, mit etwas Glück und Erinnerungsvermögen und vielleicht einem anderen, sechsten Sinn. Sie erklomm den Hügel, auf dem die Ruine stand, seit Jahrhunderten ein unerschütterliches und schweigendes Zeugnis eines uralten Vermächtnisses, das seine Geheimnisse bislang bewahrt hatte.
    Was nun? Maureen sah sich um, dann trat sie auf die Trümmer des Grabmals zu, dachte nach und wartete auf eine Eingebung. Sie verspürte einen kurzen Anflug von Zweifel, hörte wieder Tammy sagen: »Alistair hat hier jeden Quadratzentimeter seines Besitzes durchpflügen lassen, und Sinclair hat jede nur vorstellbare Technologie zum Einsatz gebracht.«
    Und nicht nur das – Tausende von Schatzjägern hatten diese Erde wieder und wieder durchwühlt. Und nie hatte einer etwas gefunden. Warum sollte es ihr anders ergehen? Warum glaubte sie, ein Anrecht auf mehr zu haben?
    Doch dann hörte sie es. Es war die Stimme aus ihrem Traum. Seine Stimme. »Deine Zeit ist gekommen.«
    Ein lautes Rascheln im Gebüsch erschreckte Maureen so, dass sie strauchelte und stürzte. Ihre rechte Hand prallte auf einen scharfkantigen Stein. Sie hatte keine Zeit, den Schmerz zu fühlen, denn ihre Gedanken waren mit dem Geräusch beschäftigt. Was konnte es nur sein? Maureen wartete regungslos und hielt den Atem an. Dann wieder das Rascheln – und zwei schneeweiße Tauben flogen aus dem Gebüsch auf und stiegen in den samtigen Nachthimmel des Languedoc.
    Maureen wagte wieder zu atmen. Sie erhob sich und ging auf das verfilzte Gestrüpp zu, das einige große Granitblöcke vor dem Berg verdeckte. Sie fühlte mit den Händen, ob sie hinter dem Gestrüpp etwas ertasten konnte, stieß jedoch nur auf nackten Fels. Sie verstärkte den Druck auf den Fels, doch da bewegte sich nichts, das Gestein gab an keiner Stelle nach. Maureen zog ihre Hände zurück, versuchte nachzudenken. Der tiefe Schnitt an ihrer Rechten, wo sie auf den Stein gefallen war, schmerzte; Blut lief über die Handfläche. Als Maureen ihre Hand hob, um die Wunde zu begutachten, erglänzte ihr Ring im Mondschein, und das kreisförmige Muster in dem alten Kupfer blitzte auf.
    Der Ring. Immer hatte sie ihn vor dem Zubettgehen abgelegt, doch gestern Abend war sie zu erschöpft gewesen, um es zu tun, war mit dem Ring am Finger eingeschlafen. Das kreisförmige Sternenmuster. Wie oben, so auch unten . Es gab ein Duplikat dieses Musters auf einem Bruchstück an der Rückseite des Grabmals.
    Maureen eilte zu der Ruine, schob hindernde Zweige beiseite, um zu der Stelle zu gelangen. Sie fuhr mit den Fingern über das Muster, und ihr Blut lief in das Innere des Kreises. Sie hielt den Atem an, verhielt sich ganz still, wartete auf das, was jetzt kommen würde.
    Nichts geschah. Die Stille dehnte sich zu Minuten, bis Maureen sich in einem Vakuum gefangen fühlte – die ganze Luft schien aus der Nacht herausgesogen worden zu sein. Dann zerriss die Stille, als ein Ton sie durchdrang. Aus einer unbekanntenFerne, vermutlich vom Hügel von Rennes-le-Château, läutete eine Kirchenglocke.

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